Wer Viertausender in Marokko besteigen will, sollte sich erst einmal akklimatisieren, am besten mit einigen Wandertagen im Berberland rund um Imlil. Im Vergleich zu allen anderen Orten ist Imlil eine Stadt, mit Hotels, Cafés, Anbietern von Wander- und Mountainbiketouren, Verleihern von Bergschuhen und Steigeisen und regelmäßigen Rufen des Muezzins.
In Wahrheit ist Imlil aber ein Dorf, hier endet die Straße, von hier geht es nur noch zu Fuß weiter. Zu Fuß durch karges braunes Bergland und üppig grüne Flusstäler, durch lehmbraune Dörfer, die sich gut getarnt an die Hänge schmiegen, richtig bunt sind lediglich die zum Trocknen auf den Dächern ausgebreiteten Teppiche.
Unsere Gruppe, die mit dem DAV Summit Club unterwegs ist, kommt am zweiten Tag der Reise mittags in Imlil an, von Marrakesch sind es rund 65 km und 1 1/2 h mit dem Bus. Wir machen einen kleinen Eingewöhnungs-Spaziergang am Nachmittag, übernachten, und ziehen am nächsten Tag in die Berge los.
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Imlil
In Imlil auf 1.740m ist ständig etwas los: Mulis traben durch die Straßen, Jungs flitzen lachend herum, die Händler versuchen einen in ihren Laden zu locken, wenn man nur eine halbe Sekunde auf ihre Waren schaut, lautstark hackt der Metzger sein Fleisch in Stücke, ein paar Bergsteiger mit großen Rucksäcken kommen müde vom Toubkal zurück, Katzen schleichen herum, alte Männer sitzen zusammen und trinken Tee. Am besten setzt man sich dazu, trinkt selber einen Tee (wichtig: mit Schaum!) und beobachtet das ganze Treiben.
Doch wir sind ja zum Wandern gekommen. Von den Häusern an den Berghängen schaut man auf das Dorf hinunter, sieht viel Grün am Mizane Fluss, die Moschee ist von überall deutlich sichtbar, am Horizont die schneebedeckten Berge im Toubkal Nationalpark. Wir kommen an einem Wasserfall vorbei und lernen eine marokkanische Köstlichkeit kennen: frisch gepresster Orangensaft, leuchtend gelb und süß, für 10 Dirham, also 1 Euro.
Am Morgen wird unser Gepäck den Mulis auf den Rücken geladen, selber völlig orientierungs- und ahnungslos wandern wir die nächsten vier Tage unserem Guide hinterher durch das Berberland, zur Vorbereitung auf die Viertausender.
Wohin des Wegs?
Das ist eine gute Frage – wenn man sich einer Gruppenreise anschließt, braucht man sich ja um nichts zu kümmern, man folgt tagein tagaus den Bergführern. Sehr ungewohnt für mich aber durchaus bequem. Wirkliche Straßen haben wir kaum gesehen, die festgestampften Staubpfade sind mal ziegenfußbreit, mal mulibreit und ich kann bezeugen, dass es Wege gibt, die für busartige Fahrzeuge geeignet sind. Orientierung? Ich habe ein einziges Wanderzeichen gesehen (wenn es denn eine Wandermakierung war…) und außerdem viele blaue Punkte, die darauf hinweisen, dass sogar hier unvorstellbarerweise Ultra Trail Rennen stattfinden (hier Infos zum Atlas Trail).
Das wichtigste ist, zur Mittagszeit und vor allem am Abend irgendwo in dieser einsamen kargen Gegend auf unsere Mulimannschaft zu treffen. Solange man seine eigene Zahnbürste hat und das Ladegerät für den Kamera-Akku, ist es ja gleich wie das Dorf der Übernachtung heißt. Die Mulitreiber (und die Mulis bestimmt auch) haben sich immer genauso gefreut wie wir, uns abends wieder zu sehen – auch wenn Gespräche nicht so einfach waren, wir haben sehr viel miteinander gelacht.
Ein Fixpunkt ist allerdings schon in Marrakesch ausgeschildert und sogar über eine asphaltierte Straße erreichbar: das Skigebiet Oukaïmeden. Das Dorf liegt auf 2.700 m, sieht französisch aus und ist ausgestorben im Sommer. Auf den Bergen sieht man Skilifte und Bergstationen (bis 3.258 m), im Sommer erinnern nur die Eingänge zu einigen Grundstücken, was hier im Winter passiert. Sehr lesenswert ist diese Skigebiets-Beschreibung auf completemorocco.com – kurz gesagt kostet ein Skilehrer 4 Euro/ h, man übernachtet am besten im Luxushotel in Marrakesch und „the pistes are bumpy and make turning difficult, so be prepared for a challenging run!“
Auf dieser Tour hätte sich ein mit-tracken mal wirklich gelohnt. Die 4 Tage in ein paar Worten zusammengefasst: wir sind also in Imlil los, waren irgendwo, kamen durch Oukaïmeden, gingen irgendwohin weiter und kamen letztendlich wieder nach Imlil zurück. Herrlich, sage ich euch. Wo auch immer wir da waren, irgendwo bei den Berbern hinter den 7 Bergen… es ist herrlich, dass es einen auf dieser Welt an solche Orte verschlägt!
Wanderroutine im Berberland
Spätestens um 7 Uhr klingeln im Berberland unsere Wecker. Schlaftrunken teilen wir unser Hab und Gut in den Tagesrucksack und in die größere Tasche auf, die tagsüber von den Mulis transportiert wird. Bei Brot, Marmelade, französischem Streichkäse und löslichem Kaffee gibt es eine kurze Lagebesprechung mit dem Bergführer…
… dann heißt es Wanderschuhe anziehen und loswandern, die angenehm warmen Morgenstunden ausnutzen, in denen die Sonne noch nicht zu stechend vom Himmel brennt.
Ohne eigene Vorbereitung ist jeder Tag eine Überraschung, eine endlose herrliche Aneinanderreihung von auf und ab, Bachüberquerungen, vorbei an Thujen, Wacholderbäumen und blühenden Kakteen, umschwärmt von bunten Schmetterlingen, hinab in grüne Täler mit leuchtenden Kirschbäumen, hinauf auf Pässe von über 3.000 m Höhe. Das Wandertempo ist gemütlich, bis zum Abend kommen meist rund 1.000 Hm zusammen.
Mit dem Ouhattar stehen wir auf unserem ersten Atlasgipfel auf 3.267 m. Anderen Wanderern begegnen wir kaum. Jeder Schritt des vor einem Gehenden wirbelt Staubwölkchen auf, vom Staub läuft die Nase und vom Naseputzen wird die Haut rissig. Ein Tuch übers Gesicht ziehen hilft – das erinnert an Nepal, außer dass wir hier in Marokko fast jeden Abend mit warmem Wasser den schmierigen Film aus Staub, Sonnenmilch und Staub abduschen können.
Zur Mittagspause erwarten uns unser Koch und das Mulitreiberteam an einem schattigen Ort, meistens am Ufer eines Flusses. Tisch und Stühle haben die Mulis mitgeschleppt, jeder füllt seinen Plastikteller mit einem Berg an Gurken, Zwiebeln, Tomaten, Paprika, eingelegtem Fisch, scharfer Soße, Käse und Brot. Manchmal gibt es auch noch Omelette oder Reis, zum Abschluss Obst und natürlich ein Glas Tee. Die scharfe Soße ist ziemlich bald aufgebraucht…
Nach dem Essen halten wir ein Nickerchen oder kneippen im Fluss, nachmittags wandern wir dann noch einmal drei oder vier Stunden bis zu einem Berberdorf. Die Jungs aus dem Dorf stehen am Eingang des Dorfes bereit, neugierig, proforma fragen Sie uns ob wir Kugelschreiber für sie haben. Mädchen sieht man kaum und auch keine Frauen. Vereinzelt begegnen wir unterwegs Frauen, die in langen bunten Kleidern Gras schneiden und es in großen Bündeln nach Hause schleppen. Doch in den Dörfern sieht man nur Männer, selbst in Imlil. Zwar gibt es eine Schulpflicht in Marokko, doch die Familien und Dorfverantwortlichen halten diese traurigerweise für Mädchen für nicht so wichtig…
Unsere Unterkünfte sind von außen kaum als solche zu erkennen, an einem Haus hängt zumindest ein Coca Cola Schild, ein anderes macht am Dorfeingang mit einem Schild auf sich aufmerksam. Die Pensionen im Dorf (Gîtes d’Etape) haben entweder im Innenhof oder in einem Speisezimmer einen großen Tisch, verpflegt werden wir aber auch abends von unserem eigenen Koch. Wer jeden Abend Couscous erwartet, wird sich wundern – Couscous hatten wir nur ein einziges Mal! Stattdessen jeden Abend eine Suppe gefolgt von Gemüse, Kartoffeln und Fleisch aus dem Tajine, dem typisch marokkanischen Koch“topf“ aus Ton, dessen Deckel fast zeremoniell vor unseren hungrigen Augen gelupft wird.
Unsere Zimmer kann man am besten als rustikal bezeichnen. Sie bestehen aus einem Boden aus Beton, auf dem drei bis vier dünne Matratzen liegen. Dazu Wolldecken, Glühbirne an der Decke, Steckdose, fertig. Irgendwo im Haus ein oder zwei Waschbecken und Duschen für alle. Die Toiletten bestehen aus einem Loch im Boden. Das muss man nicht mögen aber sich halt damit abfinden. Oder zuhause bleiben. Vom Wandern sind wir stets so müde, dass wir eh kaum einen Abend nach 10 ins Bett gehen und höchstens noch einmal aufstehen, um den Sternenhimmel zu bewundern.
Warum eigentlich Atlas Gebirge?
In der griechischen Mythologie war Atlas ein Titan, also eine Riese. Er wurde von Zeus dazu verdammt, das Himmelsgewölbe zu stützen, und zwar am westlichsten Punkt der damals bekannten Welt (der nur damals noch nicht Marokko hieß).
Laut einer anderen Quelle ist Atlas nach einem Kampf einfach eingeschlafen, mit dem Kopf am Atlantik und den Füßen am Mittelmeer. Und weil es so schön war, blieb er dann einfach liegen…
Das Atlas Gebirge ist die Heimat der Berber, die hier schon lebten, bevor die Araber nach Marokko kamen. Es gibt mehrere Stämme, sie sprechen eigene Dialekte neben arabisch und französisch und ihre Lebensweise ist von jeher anders als die der Bewohner der Paläste in den Königsstädten mit der „typischen“ sprich maurisch-andalusischen Kultur.
Und schließlich ist das Atlas Gebirge eine faszinierende Wanderregion! Individuell hier zu reisen ist nicht so einfach, wegen der Sprache, wegen nicht vorhandener Wege und Beschilderungen – in Imlil gibt es aber genug Agenturen und Guides oder man bucht gleich bei einem deutschen Veranstalter wie in meinem Fall beim Summit Club, der einem die ganze Planungs-, Organisier- und Orientier-Arbeit abnimmt, so dass man sich einfach aufs Gehen und auf die fremde, aufregende Landschaft konzentrieren kann.
Weitere Marokko-Berichte im Gipfelglück Blog:
Trekking im Berberland – 4 Tage rund um Imlil im Hohen Atlas in Marokko
Viertausender-Trekking in Marokko: Jebel Toubkal, Ras Ouanoukrim und Timzguida
Hoher Atlas in Marokko – die Foto Love Story
Film: Skifahren am Toubkal in Marokko
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Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
4 Kommentare
Wow, das sind wundervolle Eindrücke- mal nicht der klassische Strandurlaub. Ich liebe Berge, aber so hoch hinauf muss es bei mir gar nicht sein. Mir reichen da schon ein paar Hundert Meter. Am liebsten mag ich es, an einem Berghang zu sitzen und den Ausblick auf einen noch viel höheren Berg zu haben. Das ist traumhaft.
Darum bewundere ich auch dein Foto unter den Skiern. Wundervoll!
Ich glaube du hattest im Sommer dort viel schönere Erlebnisse, als man es im Winter mit dem Winter Tourismus haben könnte.
Liebe Grüße, Anja
Sommer und Winter sind halt anders, aber beides schön. Skifahren kann ich zum Glück auch vor der Haustür, mehr oder weniger. Viele Grüße!
Wir sind auch gerade in Marokko und planen eine Tour durch das Atlasgebirge. Bei meiner Recherche bin ich auf deinen Beitrag gestoßen und bei den tollen Bildern ich kann es kaum erwarten zu starten :).
Lg Jan von
https://thehiketribe.com/de/
Toll und danke. Viel Spaß auf deiner Tour!