Es ist ein strahlender Oktober-Mittwoch in den Kitzbüheler Alpen. Ein Tag, den man am Berg verbringen muss! Und am besten an einem Berg, der am Wochenende äußerst beliebt und trubelig ist. Oder gleich zwei Berge – es soll zur Henne und zum Wildseeloder gehen. Über den Henne-Klettersteig.
Um diesen Klettersteig geht es vor allem in diesem Bericht. An der Henne in den Kitzbüheler Alpen war ich zum ersten Mal ganz alleine in einem Klettersteig. Es war ein sehr intensives, sehr bewusstes Erlebnis am Fels.
Werbehinweis: Der Artikel enthält einen ersten kurzen Bericht zu einer PressereiseAffiliate Links*. Findest du Inspiration, findest du Gefallen an diesem Artikel und diesem Blog? Lade mich auf einen Kaffee ein!
Alleine am Henne Klettersteig, das waren nicht nur einfache 210 Klettersteig-Höhenmeter, genussvolles empor hangeln am Latschengrat, es war auch eine Erforschung von Stärken und Schwächen und eine gewaltige Portion neues Selbstbewusstsein.
Unser Startort ist die Lärchfilzhochalm oberhalb von Fieberbrunn auf 1.363 m, die man mit dem Auto erreichen kann. Gemütlich geht es von hier an Almgebäuden vorbei und schließlich etwas steiler die Wiese hinauf bis zur Bergstation eines Skilifts – wandern im Skigebiet ist meist nicht so toll, aber angesichts der Reize der Henne kann man es verschmerzen.
Allein am Henne Klettersteig
Am Liftgebäude (1.868 m) trennen sich die Wege von mir und meinem Begleiter, der statt zum Klettersteig lieber zum Gipfel der Hochhörndlerspitze möchte. Und so ziehe ich hier Gurt und Klettersteig Set an, lasse ihn einen letzten prüfenden Blick darauf werfen und mache mich dann mit klopfendem Herzen auf zu meinem ersten Klettersteig allein.
Am Info-Schild geht es vom breiten Weg ab auf einen schmalen Latschenpfad, der zunächst weder steil noch eisengesichert ist.
Der latschenbewachsene Grat führt hinauf zur Henne, es gibt verschiedene Varianten des Klettersteigs, zwischen Schwierigkeit A und D. Mein Plan ist die Variante “Da’Luftig”, nicht schwieriger als B/C – aber für den Kopf steigt die Schwierigkeit durch das Alleine-Gehen sicher um eine Stufe.
Am Einstieg des Klettersteigs esse ich einen Müsliriegel, ziehe Helm und Handschuhe an, ziehe den Gurt noch mal fest, verstecke den Fotoapparat im Rucksack. Unten sehe ich meinen Freund sich Richtung Gipfel entfernen, sonst sehe ich niemanden.
Ich bin überzeugt von meinen Fähigkeiten und meiner Erfahrung, das Wetter ist perfekt, der Fels ist trocken. Konzentriert wie noch nie hänge ich meine beiden Karabiner ins Seil und lege die Hand an den Fels. Es ist ein äußerst seltsames Gefühl, hier alleine zu starten.
Aber ich klettere los, mit Vorfreude, Spannung und wie gesagt Konzentration. Noch mehr als bei anderen Touren achte ich bewusst auf jeden Handgriff, auf jeden Schritt, hänge sorgfältigst die Karabiner nacheinander um. Das Reiben der Karabiner am Seil ist das einzige Geräusch, das ich höre.
Und siehe da: Dieser Weg macht einfach nur Spaß! Er ist leicht zu gehen, super gesichert. Eisenstufen und perfekte felsige Griffe und Tritte bringen mich Stück für Stück den Grat entlang nach oben. Zwischendurch auch wieder ein Stück nach unten, alles gar nicht schlimm ausgesetzt, aber es ist gut zu wissen, dass Seil, Gurt und Klettersteigset dabei sind.
Ein paar Eisenstufen hinauf stehe ich plötzlich an einem luftigen Absatz. Ein paar große Schritte nach links rüber, dann ist er überwunden und vor mir hängt das Steigbuch, in das ich mich stolz eintrage.
Von hier geht es noch ein paar Schritte fast flach den Grat entlang und schon stehe ich am eingezäunten Gipfelkreuz der Henne auf 2.078 m, wo mich mein Freund schon erwartet. Und eine Handvoll andere Leute dazu.
Am Gipfel der Henne
Ich nehme den Helm ab, ein fettes Grinsen macht sich in meinem Gesicht breit. Die letzte Dreiviertelstunde war intensiv, voller Konzentration, alleine mit allen “Schwierigkeiten” und Hindernissen umgehen zu müssen, ohne sich zu besprechen, gegenseitig Mut zu machen, das hat tatsächlich mein Selbstbewusstsein sehr gestärkt. Viel Energie frei gesetzt. Die Da’Luftig-Variante der Henne ist wirklich ein einfacher Klettersteig, aber er ist auch kein Spaziergang.
Erst jetzt am Gipfel komme ich dazu, mir die herrliche Gipfelwelt um mich herum anzuschauen. Wilder Kaiser, Leoganger und Loferer Steinberge, die Hohen Tauern. Ein kleiner Gipfel mit sehr feiner Aussicht. Am Fuße der Henne sieht man endlich auch den kleinen Wildsee mit dem Wildseeloder Haus. Dahinter erhebt sich der Wildseeloder, unser nächstes Gipfelziel, jetzt wieder gemeinsam.
Über den Normalweg, einen schmalen steinigen Pfad, geht es durch die Latschen in ein paar Serpentinen Richtung See und dann in einem weiten Bogen auf seine andere Seite und zum Gipfel des Wildseeloder auf 2.118 m.
Am Gipfel des Wildseeloder
Eine ganz andere Art Gipfelglück empfinde ich hier, nach dem Angespannten der Henne. Wir suchen uns ein kuscheliges Plätzchen zum Entspannen, halten die Gesichter in die warme Sonne – im Bewusstsein, dass die sonnigen Herbsttage bald vom November-Trüben abgelöst werden. Die Aussicht ist schön, und doch ist der Wildseeloder irgendwie nur Beiwerk. Zum Klettersteig und zur Henne, zum See unten und zur so herrlich gelegenen Hütte.
Dennoch erinnere ich mich gerne an den Wildseeloder zurück. Dort war nichts mehr von der Anspannung des “Klettersteig-Alleingangs” zu spüren, einfach nur Berggenuss und Zweisamkeit und Glücksgefühl über die traumhafte Berglandschaft an einem Traumtag.
Kuchenzeit am Wildseeloderhaus
Zum Wildsee hinunter nehmen wir den kurzen, steileren Weg, nicht mehr die weite Runde wie am Hinweg. Hollerschorle und Kuchen locken auf die Terrasse des Wildseeloderhaus (1.854 m). Am See ist kaum eine Welle zu sehen, die Sonne bringt das Wasser zum Glitzern. Das Ruderboot kann man zwar mieten, aber an diesem Herbsttag scheint bei allen Leuten Gemütlichkeit angesagt.
Ich brauche nur auf den Helm zu schauen, der an meinem Rucksack baumelt, um wieder an den ersten Teil dieses tollen Tages zu denken. Ein Gefühl der Zufriedenheit macht sich breit. Ein Gefühl von alles richtig gemacht, während der Marillen Kuchen im Mund verschwindet. Die richtige Tour für diesen Tag gewählt, den Mut zum Alleingehen gefasst, jeden Schritt und jeden Griff richtig gesetzt. Neue Erfahrungen gemacht und wieder einmal die Begeisterung für Touren am Berg gespürt.
Zurück zum Parkplatz an der Lärchfilzhochalm steigen wir den Weg Nr. 711 ab, grob Richtung Bergstation der Lärchfilzkogel Seilbahn, mit der die meisten hier den Weg zum Wildseeloderhaus gewaltig abkürzen – ohne kraxelige Alleingänge über den luftigen Henne Klettersteig.
Fazit zur Tour am Henne Klettersteig
Ich empfehle hier nicht, Klettersteige alleine zu gehen. Zusammen macht es immer mehr Spaß, man kann sich gegenseitig fotografieren, sich Tipps geben und einander unterstützen – denn passieren kann immer etwas.
Und deswegen ist es tatsächlich eine wichtige Erfahrung, sich einmal alleine auf Tour zu begeben, Selbstbewusstsein zu sammeln, sich der eigenen Fähigkeiten bewusst zu werden. Denn wie oft auf einer Tour läuft man einfach der/dem ersten hinterher? Wenn es darauf ankommt, du vielleicht alleine los musst zum Hilfe holen, dann kannst du auf die Erfahrung bauen, es auch allein zu können!
Die Henne ist das perfekte Übungsgelände dafür.
Datum der Tour: 10. Oktober 2018
Alle Höhenangaben aus der Kompass Wanderkarte 29 Kitzbüheler Alpen, die du hier bei Amazon bestellen kannst*.
Weiterlesen
Mehr Berichte vom Klettersteig-Gehen
Mehr Gipfelglück in Tirol
Noch mehr Bergtouren im Oktober
Website des Wildseeloderhauses – mit interessanten Infos zu Hütte, Namen und Naturgeschichte
Klettersteig Ausrüstung ansehen und bestellen**
*Amazon Affiliate Link: Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Wenn du clickst und etwas bestellst, erhalte ich eine kleine Provision, ohne dass du mehr bezahlst. Du unterstützt damit das Gipfelglück Blog. Danke!
**Werbung via Outtra: Wenn du auf einen der Shops clickst, verdiene ich ein paar Cent. Für dich entstehen durch den Click keine Kosten, du unterstützt damit das Gipfelglück Blog. Danke!
Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
5 Kommentare
Kompliment! Ich weiß nicht, ob ich mich alleine getraut hätte – aber wie Du schreibst, es ist sicherlich ein sehr intensives Erlebnis und überschaubar, wenn man Erfahrung mit Klettersteigen hat und die Rahmendaten (Wetter usw.) passen. So ganz alleine unterwegs zu sein hat was. Und die Euphorie, wenn man es geschafft hat, kann ich mir auch super vorstellen.
Die Kitzbüheler Region ist ja auch traumhaft schön.
Danke für das Schildern Deiner Erfahrungen!
Es war auf jeden Fall mal eine ganz andere Erfahrung als „nur eine Bergtour“… Viele Grüße!
Toller Bericht! Bin auf der Suche nach Infos zum Henne Klettersteig zufällig darauf gestoßen. Vor zwei Jahren bin ich den Marokka Klettersteig alleine geklettert. Ebenfalls eine tolle Erfahrung. Es war August und am Gipfel lag Schnee! Nun werde ich, vorausgesetzt das Wetter lässt es noch zu, nächste Woche die Henne in Angriff nehmen :-) .
Oh ja, der Marokka stand für dieses Jahr bei mir auch endlich auf dem Plan, mal sehen, ob das noch klappt. Viel Spaß an der Henne und danke für deine netten Worte!
[…] Saison gibt es bei Stefanie von Gipfelglück nachzulesen. Sie war im Oktober ganz allein auf dem Henne-Klettersteig in den Kitzbüheler Alpen unterwegs. Fieberbrunn kenne ich aus meinen Freisinger Tagen nur als […]