Wenn die leichten Touren gewandert sind, geht der Blick des Wanderers höher und fällt auf eisige Stellen am Berg. Zur Vorbereitung auf „richtig richtige Berge“ habe ich einen Gletscher-Ausbildungskurs beim Alpenverein gebucht und in 5 Tagen – von Samstag bis Mittwoch – auf der Stüdlhütte am Fuß des Großglockners allerlei gelernt. Über die Hütte (und ihre grandiose Küche) gibt es einen separaten Bericht, hier geht es nur um den Kurs.
Wir waren 6 Lehrlinge und ein Übungsleiter, hatten fantastisches Wetter, viel Spaß und ich habe die Tage auf über 2800m sehr genossen. Allerdings waren wir nicht die komplette Zeit auf dem Gletscher- viel Unterricht war in der Hütte oder davor auf ungefährlichem Gelände.
Update Sommer 2016: inzwischen war ich auch AUF dem Großglockner
Das Wichtigste für einen Bergsteiger: Knoten Knoten Knoten
… und schlimm, wie schnell man wieder vergisst, wie man welchen Knoten anfängt. Und da so viel von den richtigen Knoten abhängt, haben wir ausgiebigst geübt- Sackstich und Mastwurf, Achter und Brusick-Knoten und englischer Spierenstich, am 60-Meter-Seil, mit Reepschnur, mit Bandschlingen, an Gurten, Pickeln, Karabinern, zum Sich-Selbst-Sichern, zum andere Retten und zum Ausrüstung befestigen. Mit Handschuhen. Am Tisch neben dem Bierglas. Knoten Knoten Knoten.
Basics: Steigeisen am Fuß und Seilschaft
Zunächst suche man sich einen bequemen Stein zum Sitzen und Gepäck ablegen, dann ziehe man vorsichtig ohne sich zu verletzen die Steigeisen an – und dann wird gehen geübt. Quer rüber über den Gletscher. Schräg in Serpentinen um Höhe zu gewinnen (oder zu verlieren). Und dann hoho, die Direttissima, einfach gerade hoch. Vertikalzackentechnik und Frontalzackentechnik. Gehen mit und ohne Pickel. In 3er Seilschaft und 4er Seilschaft.
Und wären man so gehen übt, kommen von unten die anderen auf dem Weg zum Großglockner vorbei. Und von oben kommen die anderen runter, die vor Gipfelglück einfach nur strahlen. Und wir üben geradeausgehen…
Was macht man mit einem Eispickel?
Auf einer Hütte wie der Stüdlhütte ist es leider nicht sehr cool, mit einem Pickel rumzulaufen. Es ist normal, jeder hat dort einen. Und nach kurzer Zeit gehört er ganz normal zur eigenen Ausrüstung wie die Trinkflasche und die Trekking-Stöcke. So ein Eispickel ist sehr kurz, viel kürzer als ein Wanderstock, und deswegen weniger im flachen Gelände sondern mehr in Hanglagen als Spazierstock Gehhilfe praktisch.
Wir haben den Eispickel im Schnee vergraben, um darin eine unglaublich stabile Sicherung anzubringen. Warm wird einem beim Vergraben noch dazu. Etwas skurril war das schon, aber es funktioniert! Stufen haben wir auch geschlagen mit dem Pickel, da wird es einem richtig warm. Davon hört man ja immer in den Expeditions-Berichten von den 8000ern. Und auch wenn man auf Eis oder Schnee fällt und ins Rutschen kommt, ist ein Eispickel praktisch: im Fallen am Pickel umgreifen und ins Eis rammen, so dass er einen hält- dazu braucht man zum einen eine sehr gute Reaktionszeit und zum anderen etwas Glück um sich am Pickel nicht zu verletzen. Dann ist es ganz vorbei mit dem Cool-Sein…
Fallen und wieder aufstehen….
Am Anfang waren wir ja schon etwas skeptisch, vor diesen Fallübungen im Schnee… Aber wenn 6 Leute in allen Varianten im Schnee rutschen und versuchen anzuhalten und aufzustehen, gibts bald eine richtig schöne Schlittenbahn. Mit Helm bitte, ohne Steigeisen, und mit Regenhose, Vorteil ist ein paar Ersatz-Handschuhe für hinterher! Ganz harmlos fängts an, auf dem Bauch, Kopf hangseitig, vorsichtig losrutschen. Zweite Runde, auf dem Rücken losrutschen, rumdrehen auf den Bauch, anhalten. Und als Königsdiziplin: mit dem Kopf voraus den Hang runterrutschen wie auf dem Bild zu sehen, im Rutschen erst mal Kopf Richtung Gipfel, Beine zum Tal, anhalten wird da schon schwieriger. Der Spaß auf jeden Fall größer. Die Nässe auch.
Dies und das vom Gletscher
Die Kulisse unseres Übungsgeländes! Da fühlt man sich schon wie ein echter Bergsteiger, nicht bl0ß wie ein Wanderer…
Als Gletschertisch bezeichnet man einen Rest Gletscher, auf dem oben ein flacher Stein wie eine Tischplatte liegt. In dem Rest Gletscher kann man sich sichern, in dem man mit einer Eisschraube zwei Löcher bohrt, Seil durchzieht und verknotet. Hält! Außerdem kann man an einem Gletschertisch die Himmelsrichtung feststellen: Süden ist an der flacheren Stelle, dort wo sich der Tisch hin neigt. Wo halt die Sonne stärker draufscheint….
Eisschrauben am Gletscher
Für eine einfache Wanderung über einen Gletscher braucht man nicht direkt eine Eisschraube, aber zum Sichern, wenn man mal in eine schwierige Lage gerät oder eine Pause im steilen Gelände machen will, dann ist eine Eisschraube eine tolle Erfindung. Man dreht sie ins Eis, nimmt evtl. Freund Pickel zur Hilfe zum Drehen. In der Mitte kommt dann so ein Bohrkern rausgeflutscht. Wenn die Schraube mit dem Eis abschließt, Bandschlinge an der Schraube und am eigenen Klettergut befestigen – hält! Sie wiegt auch wenig, lässt sich also gut mitnehmen für den Fall der Fälle.
Spaltenbergung, simuliert
Was macht man, wenn man zu dritt in ein Seil eingebunden ist und über einen Gletscher wandern und plötzlich fällt der erste in eine Gletscherspalte? Mit den richtigen Handgriffen und (natürlich) Knoten können es die anderen beiden schaffen, den ersten wieder rauszuziehen, und wir haben dies geübt geübt geübt, allerdings nicht in einer echten Gletscherspalte sondern auf der Wiese vor der Hütte. So lange geübt, bis jeder einmal an jeder Seilposition war (hinten, mitte, runtergeplumpst) und bis sich die einzelnen Schritte wie Puzzleteile zusammengesetzt haben und man plötzlich logisch verstand, warum welcher Handgriff zu tun war.
Wenn es sich vermeiden lässt, möchte ich dieses Wissen nicht unbedingt in echt anwenden müssen, aber auch wenn man Panik dazurechnet und schlechtes Wetter – ich würde behaupten, dass ich jetzt dazu beitragen kann, jemanden aus einer Spalte zu rechnen, vor einer Gletschertour würde ich aber auf jeden Fall noch mal alles nachlesen. Kompliziert ist es halt doch :)
Theorie-Unterricht
Morgens um 8 ist die ruhigste Zeit auf der Stüdlhütte, ideal für Theorieunterricht! Wetterkunde über Hoch- und Tiefdruckgebiete zum Beispiel und die Formen von Wolken. 1000 m Höhenunterschied bedeuten 6 Grad Temperaturunterschied. Der Umgang mit Höhenmesser, Kompass und Karte, und was die kleinen Striche bei den Gletschern auf der Karte zu bedeuten haben – Gletscherspalten nämlich! Was gehört ins 1. Hilfe-Set und wie macht man noch mal eine Stabile Seitenlage? Davon gibts keine Fotos, zu Demozwecken habe ich eine Ohnmächtige gespielt und die kann ja schlecht Fotos von ihren Rettern machen…
Jetzt müsste das ganze natürlich geübt werden – wer von euch eine Gletschertour plant, zum Großvenediger oder so, nehmt mich mit! Im Notfall rette ich euch auch :)
Mein Fazit zu dem Gletscher-Kurs: sehr sinnvoll, wenn man Hochtouren machen möchte, die anspruchsvoller als ein normaler Wanderweg sind. Die DAV Kurse sind preislich sehr fair, in der Geschäftsstelle kann man alle Ausrüstung ausleihen (bei mir kamen für die Ausleihe Freitag bis Donnerstag etwa 50 Euro zusammen). Man fühlt sich danach gut vorbereitet und sehr sicher auf dem Eis und im Umgang mit den Hilfsmitteln; der Rest kommt mit Erfahrung und Erleben. Allerdings: die Stüdlhütte und das Großglocknergebiet scheint nicht ideal für einen Anfängerkurs zu sein, zu wenig Übungsgletscher, wir haben doch weniger Zeit auf dem Eis verbracht als ich erwartet hätte. Die Hütte ist toll und der Glockner-Blick grandios, aber für die Gletscherausbildung lieber woanders hingehen. Der DAV München-Oberland bietet den Sommer über viele Kurse in verschiedenen Gegenden an!
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Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
13 Kommentare
Danke für den Bericht.
Bei mir war es damals fast genauso, nur das wir im Ötztal bessere Übungsbedingungen hatten. Da konnten wir den Spaltensturz mit dem Sprung über eine Wächte simulieren. Da reist es dich ganz schön mit, wenn du an zweiter Stelle bist und das obwohl man sich eigentlich darauf eingestellt hat. In einer Zweier-Seilschaft kann ich mir das alles nur sehr schwer vorstellen…das wird verdammt mühsam.
Überhaupt habe ich schon wieder ziemlich viel vergessen und so richtig spannend fand ich das Gehen auf dem Letscher auch nicht. Hinzu kommt, dass ich die brüchige Gegend und den dreckigen Gletscher nicht so toll fand.
Es war für mich eine interessante Erfahrung, aber die Wiederholungsgefahr ist eher gering ;-)
Zum Glück sind die Alpen groß und haben für jeden den richtigen Spielplatz :) Ich möchte auch nicht ewig im zickzack unterhalb des Großglockners hin und her traben, das muss ich nicht wiederholen – aber spannenden Bergtouren, weit weg von Forstwegen, da kommt hoffentlich noch was. Viele Grüße!
Hallo Stefanie,
hört sich gut an zum Start Deiner Entdeckungsreise in die Gletscherwelt. Die ist schon grandios und sehr spannend. Wie Steve, kann ich das Ötztaler Alpen empfehlen, dort gibt es noch genug Gletscher. Ich selbst habe zwei Kurse in der Gegnd gemacht, auf der Braunschweiger Hütte und auf der Kaunergrathütte.
Du hast nun eine gute Grundlage, übe es immer wieder, nur nachlesen reicht natürlich nicht. Das habe ich mir auf alle Fälle schon seitbgeraumer Zeit vorgenommen.
Persönlich halte ich eine Seilschaftsgröße von Vieren für ideal, auch wenn ich mit meinem Kumpel zu zweit unterwegs war. Das geht auch, stürzt aber einer der beiden in die Spalte, dann hat der andere alles zu machen. Da mag auch ich nicht dran denken.
Viele Grüße, Bernd
Zu zweit sieht das dann schon ganz anders aus – 3 oder 4 Leute ist sicher ideal. Wenn du mal wieder eine Tour im Eis planst, sag Bescheid :)
Werde ich mir merken, vorher üben wir aber noch etwas.
Im Gegensatz zu Steve finde ich Gletscherbegehungen durchaus spannend, besonders später im Jahr, wenn man über Blankeis (nicht zu steil natürlich) auch in die Spalten gucken kann. Besondere Vorsicht ist natürlich geboten!
Hallo Stefanie,
vielen Dank für Deinen Bericht. Ich habe auch gerade einen Eiskurs bei meiner DAV Sektion hinter mir und daher ein DejaVu. :-)
Allerdings war das mir geteilt. Es gab einen Spaltenbergungskurs am Fels im Mai und einen zweiten Kurs am Gletscher mit T-Anker, Eisschraube, Spaltenbergung, dann zwei Theorieeinheiten für Orientierung, Wetterkunde und Tourenplanung sowie als Höhepunkt einen 4.000er.
Gruß
Harald
In welchem Gebiet hast du deine Schulungen denn gemacht und vor allem – welchen 4000er hast du bestiegen? Das klingt nach einem tollen Abschluss eines Kurses!
Der Spaltenbergungskurs fand im Pfälzer Wald statt und der zweite Teil im Wallis. Und mein erster 4.000er war dann das Strahlhorn. Ich habe bei uns auf via-ferrata einen kurzen Tourbericht geschrieben: http://www.via-ferrata.de/forum/tourbericht-das-strahlhorn-im-wallis-t6081.html
Toller Bericht, den Berg werde ich mir mal merken :)
Hallo! Danke für den Bericht, auch wenn er schon ein bisschen älter ist^^ Wir haben bis jetzt immer Urlaub in Schenna(Südtirol) gemacht, wenn wir in die Berge wollten. aber das Wandern dort reicht uns irgendwie nicht ehr und wir suchen eine neue Herausforderung…Gibt es diese Kurse immer noch? und wo kann man sich für sowas anmelden? Würde mich über eine Antwort freuen! LG, Nora
Am besten schaust du ins Programm der Alpenvereinssektionen, da werden viele Kurse angeboten.
Ein sehr schöner und wie ich finde wichtiger Bericht. Alle die vor haben Hochtouren zu gehen, sollten einen solchen Kurs machen. Ich hatte vor ein paar Jahren auch ein Eiskurs beim DAV gemacht und würde es jedem empfehlen. Ich war damals auf der Tierbergli Hütte. Dort konnten wir tatsächlich in einer Gletscherspalte üben (natürlich mit ausreichend Trockenübungen davor und einer weiteren Zusatzsicherung).
Hab auch nen Bericht dazu geschrieben:
https://www.puls-der-freiheit.de/2016/12/28/eiskurs-auf-der-tierberglih%C3%BCtte/
Das werde ich mir gleich mal durchlesen! Übungen wiederholen schadet ja auch nicht…