Von Amrum nach Föhr wandern, übers Watt von einer Nordseeinsel zur anderen – das ist schon etwas Besonderes. So besonders, dass eine Wanderung völlig ohne Höhenmeter in die Rubrik Gipfelglück fallen darf. Die beiden Inseln liegen zwar nah beieinander – aber es sind nun einmal Inseln, und doch man kann tatsächlich zu Fuß von einer zur andern.

Von der Ortsmitte Norddorf auf Amrum bis zum Deich bei Dunsum sind es rund 10 Kilometer, eine Wanderung, die man auf jeden Fall mit Wattführer und nicht allein unternehmen sollte. Zum einen, weil dieser genau weiß, wie Wetter, Ebbe und Flut den Weg beeinflussen und einen gefahrlos von einer Insel zur anderen bringen, zum anderen weil ein Wattführer so viel über Tiere, Pflanzen, Geologie, Geschichte und Alltag der Umgebung zu erzählen weiß.

Die Gezeiten beeinflussen die Touren gewaltig – jeden Tag beginnt die Wanderung zu einer anderen Uhrzeit, je nach Hoch- und Niedrigwasser; Nipptide oder Springflut können den Großen Priel noch tiefer als eh schon machen, und es muss ja auch noch eine Fähre nach Amrum zurück gehen. Bei besonderen Gezeiten verläuft die Tour dann auch manchmal in der Gegenrichtung, zuerst mit dem Bus von Norddorf nach Wittdün, mit der Fähre nach Föhr, mit dem Bus nach Dunsum und dann zu Fuß durch das Watt hinüber nach Amrum.

Ich habe eine Tour bei Wattführer Dark Blome gebucht, laut seiner Website der einzige anerkannte Nationalpark Wattführer auf Amrum. Wir starten morgens um halb 10, es ist trüb und windig. Etwa ein Dutzend Urlauber wollen heute wandern, und, für den Wattführer der Normalfall, fast alles Frauen. Angeblich ist es Männern zu kalt…
Die ersten drei Kilometer wandern wir auf Amrum nach Norden, zwischen Wiesen hindurch Richtung Deich, und schon nach wenigen Metern merkt man, dass unser Wattführer für einen Norddeutschen* wirklich sehr gesprächig ist. Und wahnsinnig viel weiß!

Vögel bestimmen, Häuser in Norddorf und damit die Entwicklung der verschiedenen Dörfer in Amrum, Entstehung der Inseln in der Eiszeit, ihre Entwicklung in den letzten 700 Jahren, Leben und Urlaub machen auf den Halligen, die Füchse und Möven auf Sylt – zu allem kann der Wattführer etwas erzählen.

Am Ende des letzten Bohlenwegs heißt es Schuhe ausziehen. Der feste Wattboden und der Vierzack unseres Wattführers, sein Markenzeichen, werden zum Hörsaal, in den Boden lässt sich bestens zeichnen, wie Ebbe und Flut funktionieren und zum Beispiel auch erklären, warum die Ostsee kaum und die Bretagne extreme Gezeitenunterschiede haben.

Dann wandern wir endlich los, Richtung Föhr, was gar nicht so weit aussieht, aber es ist nun mal eine andere Insel.


Man sieht die Hügelchen der Wattwürmer, vereinzelt Muscheln, der Boden ist schön fest, ein guter Wanderuntergrund. Der Wind pustet ordentlich, die Wolken kommen und gehen, die Sonne lässt den Boden strahlen und kleine Pfützen leuchten.


Größere Pfützen und kleinere Priele lassen das Wasser schon mal bis zu den Knöcheln reichen. Einmal queren wir durch eine richtige Matsch-Stelle, wo dunkle, fast schwarze Sandpampe zwischen den Zehen hervorquatscht.


Zu Gesprächen über Seefahrer und die Schifffahrt zwischen den Inseln und Halligen, früher und heute, nähern wir uns dem Großen Priel – durch den bei Flut die Dampfer fahren. Hier kann es für unkundige Wanderer durchaus heikel werden.

Die Hosen werden noch mal richtig hochgekrempelt, Kameras irgendwie in Plastiktüten eingeschlagen, zu skeptischen Fragen, was wohl gleich um uns herum schwimmen wird, auf was wir wohl treten werden und wie man bei Quallenberührung reagiert. Los geht’s und ziemlich schnell reicht das Wasser bis zu den Oberschenkeln. Bei einer ziemlichen Strömung – um einfach quer rüber zu schwimmen, braucht es schon ganz schön Muckis in Armen und Beinen.

Das Wasser ist angenehm warm, obenrum ist man froh über die warme Jacke, der Wind fegt wild über uns hinweg und manch Welle (von mehr als 10 Prieldurchquerern verursacht) erreicht doch den Hintern.
5 Minuten später sind wir durch den Priel durch, der Wind trocknet die Hose und wir stapfen weiter Richtung Föhr. Graben Wattwürmer aus und Muscheln, die sich im Sand verstecken und auf die nächste Flut warten, ohne von Vögeln gefressen zu werden. Erfahren etwas zur nahen Kormoraninsel, wo Wattwanderer Seehunde beobachten können, kommen an einem Schiffswrack vorbei, dessen Geschichte spektakulärer ist als sein Anblick. Vorteil für Wanderer mit gutem Wattführer und großer Fantasie!


Ein paar mal sehen wir am Horizont andere Menschen aber in der Weite des Watts ist man unter sich, in der Gesellschaft von Krebsen, Muscheln und Wattwürmern.

Der Wattführer zeigt auf eine Stelle am Ufer der Insel Föhr, das sich “rasant” nähert. Dort soll es wieder an Land gehen. Ungeübte Augen sehen nur Schlamm und Sand und einen grünen Deich dahinter.

Auf den letzten Metern Wattboden wird deutlich: da ist tatsächlich eine Treppe! Sie führt uns große Steine hinauf, auf den grasigen Deich. Irgendwie verrückt.

Beim Schuhe anziehen blicken wir zurück nach Amrum – es ist ein besonderes Gefühl, von einer Insel zur anderen gewandert zu sein. Und als wir 5 Minuten später in den Linienbus von Dunsum nach Wyk einsteigen, möchte man am liebsten allen Leuten im Bus erzählen, dass man zu Fuß hierher gekommen ist.

Der Wattführer ist mit seinen Erzählungen nun bei der Insel Föhr angelangt, die 4 mal größer ist als Amrum und sogar Ampeln hat! Allerdings nicht genug Ampeln für eine Führerscheinprüfung, dafür muss man tatsächlich aufs Festland fahren.
Wir haben zwei Stunden Zeit zum Kaffee trinken auf der Promenade von Wyk, mit Blick auf die Halligen. Manch Amrum-Urlauber aus unserer Gruppe nutzt den Föhr-Besuch auch, um bei Lidl Zivilisations-Luft zu schnuppern. Eine Stunde verbringen wir auf der Fähre, am Hafen von Wittdün steigen wir in den Linienbus nach Norddorf um, wo wir 8 Stunden nach dem Abmarsch wieder ankommen. Mit einem seligen Grinsen im Gesicht. Denn egal wie lang der Rückweg auch gedauert hat – wir sind von Amrum nach Föhr gewandert!

Weitere Informationen zum Wattwandern auf Amrum
Amrum ist eine herrlich entspannte, ruhige Nordseeinsel, ohne Schickimicki, ohne Trubel. Was auch damit zu tun hat, dass man mit der Fähre aus Dagebüll vom Festland rund 2 Stunden unterwegs ist. Die Insel ist perfekt zum Fahrradfahren, zum Kaffee trinken und Kuchen essen. Die Strandkörbe sind knallbunt.

Ein Amrum Buchtipp: Wenn man von den Krimiabteilungen der Buchhandlungen auf Amrum ausgeht, ist die Insel ein gefährliches Pflaster. Wer sich den Urlaub damit nicht verdirbt, dem sei „Küstenmorde“ von Nina Ohlandt empfohlen. Ein raffinierter, brutaler Fall, der auf Amrum spielt, mit einem sympathischen Flensburger Ermittlerteam. Hier kannst du „Küstenmorde“ bei Amazon bestellen**.
Geführte Wattwanderungen: Website von Wattführer Dark Blome
Datum der Tour: 8. Juni 2016
*Auf meine Frage, wo Süddeutschland für einen Amrumer anfängt, lautete die Antwort: wenn ich durch den Elbtunnel fahre!
—-
**Amazon Affiliate Link: Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Wenn du clickst und etwas bestellst, erhalte ich eine kleine Provision, ohne dass du mehr bezahlst. Du unterstützt damit das Gipfelglück Blog. Danke!









Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
3 Kommentare
Sehr schöner Bericht! Und irgendwie passt eine Wattwanderung von Amrum nach Föhr ja auch zu Gipfelglück, schließlich ist die Partnergemeinde von Wyk auf Föhr ja Mittenwald im Karwendel!
Hallo,
wir sind vom 5. April bis 8. April auf Amrum und würden gern eine Wattwanderung nach Föhr mit Ihnen unternehmen!
Können Sie da was anbieten?
Viele Grüße
Christiane Otte
Hallo Christiane,
ich wohne am anderen Ende von Deutschland, in Oberbayern, sehr weit weg von Amrum… Über die Wattwanderung habe ich lediglich berichtet, ich biete keinerlei Touren an.
Trotzdem schönen Urlaub dort oben!