Die Insel Rügen als Fernreise-Ziel? Es ist doch das gleiche Land, die gleiche Sprache, Währung und Zeitzone, das gleiche Sortiment in den gleichen Supermärkten wie daheim (von viel Sanddorn abgesehen). Nun, Rügen ist ganze 1.017 Kilometer von meiner Wohnung entfernt!
Wenn man mit dem Zug aus dem südöstlichen Zipfel Deutschlands an die Ostsee nach Rügen aufbricht – dann ist Rügen ganz schön fern und passt tatsächlich in die “Fernweh-Freitag”-Serie.
Beim ersten Besuch auf Rügen sucht man zuerst nach all den Berühmtheiten – Seebrücken, strahlend weiße Häuser mit verschnörkelten Balkonen, Kreidefelsen, Kopfsteinpflaster, Alleen. In der Nebensaison herrscht eine entspannte Ruhe, um sich alles im eigenen Tempo anschauen und genießen zu können. Und um einiges Überraschendes mehr auf der größten deutschen Insel zu entdecken. Einige meiner Highlights und Tipps zu Rügen in der Nebensaison im Frühling stelle ich dir in diesem Artikel vor.
Werbehinweis: Der Artikel enthält Affiliate-Werbung*. Das vorgestellte Buch ist ein Rezensionsexemplar des Verlags. Die Tourismuszentrale Rügen hat mich mit freien Eintritten unterstützt, davon abgesehen war die Reise selbst bezahlt und selbst organisiert.
Rügen im Frühling in der Nebensaison
Rügen mag die größte deutsche Insel sein. Ich muss allerdings gestehen, dass ich mir nicht wie auf einer Insel vorkam, wie auf Amrum zum Beispiel, oder auf Galapagos. Zug und Autos fahren bei Stralsund über eine kurze Brücke, und irgendwie sieht es nach der Brücke nicht viel anders aus als vorher. Leuchtend gelbe Rapsfelder, Buchenwälder, grüne Wiesen, flach – also sehr anders als im heimatlichen Chiemgau.
Ich bezweifle, dass mir Rügen im Juli oder August ähnlich gut gefallen würde. Den größeren Orten, den riesigen Parkplätzen, den langen Reihen Strandkörben sieht man die Beliebtheit der Insel als Reiseziel an. Ob das in den engen Straßen mit Kopfsteinpflaster, den vielen Alleen, den kleinen Häfen so viel Spaß macht im Hochsommer?
Im Mai mussten wir nirgends anstehen, an keiner Eisdiele, an keinem Parkscheinautomat, an keiner Leuchtturm-Kasse, an keinem Klo. Stop, eine Schlange gab es: an der berühmten Viktoria-Sicht, an der eine Plattform genau 2 Personen Aussicht auf den berühmten Königsstuhl bietet (siehe unten). Der Raps blühte so schön, die Buchenwälder leuchteten so herrlich frühlings-hellgrün. Gleichzeitig war es so viel sommerlicher als in den Alpen, auch wenn es im Wind häufig mit warmer Mütze angenehmer war. Nebensaison ist für mich die perfekte Reisezeit auf Rügen!
220 Hm Steilküsten-Wanderung im Nationalpark Jasmund an den Kreidefelsen
Natürlich fährt man nach Rügen nicht wegen der Höhenmeter. Aber ca 220 Höhenmeter sind es dann doch geworden (Angabe aus outdooractive.com), auf der Wanderung von Sassnitz zum Königsstuhl, dem Nationalpark Zentrum im Unesco Welterbe.
Für die 8 km am Strand entlang, durch den Wald, mit prächtiger Aussicht auf die leuchtendweißen Kreidefelsen haben wir rund 3 Stunden gebraucht, und dabei nur eine Handvoll anderer Leute gesehen.
Der Weg ist gut markiert und beschildert, allerdings sind die Km- und Zeitangaben etwas uneinheitlich. Die Steilküste ist hier im stetigen Kampf mit der Ostsee. Bricht Kreide von der Insel ab, leuchtet das Wasser türkis. Zum anderen ist der Uferrand 30 m über dem Wasser oft so brüchig, dass Abbruch- und Absturzgefahr herrscht und große Teile gesperrt sind.
Tolle Fotospots gibt es jede Menge. Im Frühling scheint die Sonne glitzernd durch die hellgrünen Blätter der Buchen auf den Waldboden, der sehr gut zu gehen ist – Bergschuhe braucht man dafür nicht. Anstrengend ist es an manchen Stellen schon – wenn es von der Höhe der Steilklippen an den Strand hinuntergeht und dann wieder hinauf. Ab und zu helfen Treppen und Brückchen weiter und machen den Weg etwas abwechslungsreicher, der parallel zur Küste durch einheitlich gleichmäßigen Buchenwald führt. An einer Picknickstelle stehen Tisch und Bänke für die mitgebrachte Brotzeit; während des Essens hört man Bruchstücke der Erklärungen der vorbeifahrenden Touristenschiffe.
Die Aussicht vom Königsstuhl (auf 119 m gelegen) ist, wie so oft, nur halb so schön wie der Blick auf den Königsstuhl. An der Viktoriasicht gibt es eine nostalgische Mini-Aussichtsplattform, wo wir tatsächlich auf dieser Frühlingsreise die einzige (trotzdem kurze) Warteschlange hatten, um einen Blick auf den berühmten Königsstuhl-Felsen zu werfen, den einst schon Caspar David Friedrich gemalt wurde – und der doch damals ganz anders aussah.
Zum Königsstuhl kommt man übirgens nur, wenn man Eintritt ins Nationalpark-Zentrum zahlt. Dort gibt es zudem Bistro und Souvenirshop, Spielplatz und Ausstellung, Führungen und einen Film, in dem Terra X-Moderator Dirk Steffens von den Besonderheiten der Buchenwälder im Nationalpark, auf Rügen und überhaupt in Europa erzählt.
Mit dem Linienbus gelangt man über den Parkplatz Hagen zurück nach Sassnitz. Als zum Ende unseres Besuchs strömender Regen einsetzt, versuchen wir unser Glück und finden schnell eine Mitfahrgelegenheit im Auto von anderen Urlaubern, die uns nach Sassnitz mitnehmen. Sommerregen. Vermutlich hat er viel Kreide in die Ostsee gewaschen, die dann noch türkiser als vorher wurde.
Mehr Infos: www.koenigsstuhl.com
Joggen am Strand
Die langen Reihen von Strandkörben stehen Anfang Mai noch relativ ungenutzt am Strand von Binz, ins Wasser trauen sich auch nur ganz wenige. Am Strand entlang spazieren, mit gesenktem Kopf, man könnte ja über ein Stück Bernstein stolpern: das lässt die Herzen der Rügen-im-Mai-Reisenden höher schlagen! Binz hat mich begeistert mit dem langen, breiten Sandstrand. Im Gegensatz zur Nordsee ist an der Ostsee ja das Wasser auch immer “da”. Dazu kommt eine Rügen-Spezialität, eine Mischung aus Steilküste mit Wald & Kreidefelsen und den erwähnten flachen Strand-Abschnitten. Herrlich auch zum Sonnenuntergang.
Das Strand-Highlight für mich persönlich sind die beiden Vormittage, an denen ich nach dem Frühstück die Laufschuhe anziehe und in flotterem Tempo den Binzer Strand entlang trabe. Ganz vorne am Wasser, wo die Ostseewellen über den Strand schwappen und den Sand fest genug zum Laufen zusammenpressen. In Gesellschaft der Möven und das Wellenrauschen als Soundtrack. Ohne anstrengende Höhenmeter. Ich war auch nicht die einzige Strandläuferin, ganz im Gegenteil.
Baumwipfelpfad in Binz/ Prora
Die “Alten Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas” sind Welterbe der UNESCO (siehe Foto oben). Die Größe und Bedeutung der Buchenwälder auf Rügen haben mich sehr überrascht. Dort zu wandern oder zu spazieren ist zunächst recht unspektakulär, das Charakteristische der Buchenwälder ist nämlich, dass es kaum Unterholz gibt, lange glatte Stämme und erst weit oben fangen Äste, Zweige und Blätter an.
Perfektes Umfeld also für einen Baumwipfelpfad! Besonders im Frühling, wenn das Laub so herrlich hellgrün ist, das Sonnenlicht durchschimmert, wenn man fast das Gefühl hat, der Natur beim Wachsen zuschauen zu können.
Der Rügener Baumwipfelpfad erhebt sich im Wald wenige Kilometer außerhalb von Binz, in Prora. Die Holzstege verlaufen auf bis zu 17 m Höhe in einer Runde durch den Wald, auf Höhe der Baumkronen. Highlight ist dann der 40 m hohe Aussichtsturm, von dem aus man die Ostsee sieht, den kleinen Jasmunder Bodden und viel viel Wald. Man erkennt auch, dass der Ort Bergen auf Rügen tatsächlich auf einem Mini Berg liegt!
Im Sommer ist bis 19 Uhr geöffnet, mir hat es in der Abendstimmung (plus ruhige Nebensaison) sehr gefallen, fast ohne andere Menschen über die Stege zu spazieren. Es gibt viele Erklärstationen und lustige wackelige Wegstellen. Das Gesamtbild des Baumwipfelpfads ist besonders – im Museum ist der Klimawandel ein Haupt-Thema, im Shop gibt es keinen Plastik-Ramsch sondern schöne natürliche Souvenirs, die ganze Anlage ist barrierefrei. Die Bushaltestelle ist direkt vor dem Eingang.
Das ganze ist natürlich sehr auf Kinder ausgerichtet – aber abends, mit Ruhe und Vogelzwitschern, mit den frühlingsgrünen Blättern rundherum, ist der Baumwipfelpfad auch für Erwachsene sehr entspannend und lehrreich. Mehr Infos zum Baumwipfelpfad
Fisch am Strand und Kuchen mit Hafenblick
Auf Reisen gehe ich ja wirklich gerne essen und beobachte die Welt vom Cafétisch aus. Ich mag aber auch das gemütliche Frühstücken in einer Ferienwohnung, wie wir sie auf Rügen hatten. Ein weiterer Vorteil ist auch, dass man sich einfach Brote für unterwegs schmieren und Tee oder Kaffee mitnehmen kann, für den Hunger zwischendurch. Die Mischung macht es halt. Und so gibt es hier zwei kulinarische Rügen Tipps von mir:
Am Strand von Vitt (nicht zu verfehlen zwischen Kap Arkona und Putgarten) steht eine kleine Fisch-Räucherbude, davor ein paar Tische und Bänke im Sand. Riesige geräucherte Fisch-Stücke kommen hier auf den Pappteller, Dorsch, Lachs, Aal zum Beispiel. Die Brötchen schmecken nach nix, es ist gut, eine eigene Gabel mitzubringen sonst gibt’s Einweg-Plastik, und alle Vorbeikommenden starren auf deinen Teller – diese Wander-Einkehr war dennoch nach meinem Geschmack. Köstlich, die Sonne im Gesicht, die Füße im Sand, und viel Ruhe Anfang Mai.
Vom Dörfchen Schaprode aus fahren die Schiffe nach Hiddensee, sonst ist nicht viel los Anfang Mai. Alles, was los ist, kannst du wunderbar von der Terrasse von Schillings Gasthof direkt am Hafen beobachten. Bei Kaffee und Kuchen, während im Nachbar-Strandkorb duftender Kaiserschmarrn serviert wird. Ein Ort, an dem man gut und gerne stundenlang einfach dasitzen und schauen könnte…und Kuchen essen natürlich.
Rügen-Krimi: Inselfeuer
Ein Vorteil vom Zugfahren gegenüber dem Auto: Zeit zum Lesen! Und zwischen Bergen auf Rügen und Bergen in Oberbayern ist sehr viel Zeit zum Lesen.
Zum Beispiel dieser Rügenkrimi (zum Glück gibt’s Rezensionsexemplare auch als E-Book, mein Gepäck bestand gefühlt zur Hälfte aus Snacks und Wasser und Futter für die Zugfahrt…). „Inselfeuer“ startet mit einem Brand eines Schuppens in Lobbe auf der Halbinsel Mönchgut, bei dem ein Mann stirbt. Im Laufe des Krimis wird klar, warum, und welche tragischen Lebensgeschichten über Jahre und Generationen zu diesem Feuer geführt haben. Natürlich erinnern einen die Ortsnamen immer wieder an den eigenen Urlaub auf Rügen. In einer Szene gehen Rechtsmedizinerin Leona, Polizist Peer und Gäste von ihnen auch wandern, in den Zicker Alpen… Ein spannender Urlaubskrimi, ideal für eine lange Zugfahrt. Das Ende ist übrigens offen!
Den Rügen Krimi „Inselfeuer“ aus dem Gmeiner Verlag, geschrieben von Maren Schwarz, kannst du hier bei Amazon bestellen*.
Kap Arkona
Ein Pflicht-Termin, wenn man zum ersten Mal Rügen besucht. Kap Arkona ist ein autofreies Eck ganz im Norden von Rügen mit zwei Leuchttürmen. Es gibt einen Shop, ein Gartencafé, ein Fischerdorf, und zwischen all dem und dem riesigen Parkplatz befinden sich lange autofreie Wege, die sich Pferdekutschen, Fahrräder, Wanderer und eine Bimmelbahn teilen. Im Sommer auch Menschenmassen, aber zum Glück waren wir ja im Mai da.
Im Mai ist Kap Arkona ein wirklich hübsches Eck zum Herumwandern. Vom Parkplatz Putgarten an leuchtenden Rapsfeldern vorbei zur Steilküste, den Ausblick vom Leuchtturm genießen, eine Tasse Kaffee im Gartencafé. Dann weiter, die Veilchentreppe hinunter zum Steinstrand, bernsteinsuchend bis nach Vitt zum Fischessen (siehe oben) und dann zurück zum Auto. Ein entspannter Frühlingsausflug, für den wir das perfekte Wetter hatten – aber in der Hochsaison wäre das nichts für mich.
Praktische Reisetipps für Rügen
Klimafreundliche Anreise, Zugbeispiel (Stand Mai 2019): der ICE 1711 startet täglich um 10:21 Uhr in Binz und erreicht München um 19:06 Uhr. Für Sparpreise rechtzeitig buchen und unbedingt Plätze reservieren. Überall auf der Insel gibt es Supermärkte und Bäckereien, so dass man sich gut in einer Ferienwohnung versorgen kann. Die höchste Erhebung von Rügen ist übrigens der Piekberg mit 161 m, „touristisch nicht erschlossen“. Er ist nicht weit vom Parkplatz Hagen am Nationalpark-Zentrum Königsstuhl entfernt, also habe ich ihn vermutlich vom Rücksitz der Mitfahrgelegenheit im Regen sehen können. Über die ganze Insel verteilt gibt es viele beschilderte Wanderwege, dafür (nicht nur dafür) würde es sich lohnen noch mal wieder zu kommen. Und unbedingt wieder in der herrlich ruhigen Nebensaison!
Datum der Reise: 2. bis 5. Mai 2019
Alle Höhenangaben aus diversen Infobroschüren sowie aus www.outdooractive.com
Weiterlesen
Mehr Nationalpark-Reisen auf der ganzen Welt
Auf zur Nachbarinsel: Usedom mit dem Fahrrad erkunden
Weitere Ausgaben des Fernweh-Freitags:
Die Ostküste von Australien – segeln, wandern, Städte
Inseln, Lagunen, Atolle – in Tahiti und Bora Bora
Baja California in Mexico – beim Wandern in der Wüste
British Virgin Islands – Segeln in der Karibik
Andalusien – ganz ohne Wanderschuhe
Ins Weltall– eine Sonderausgabe
Sierra Nevada in Spanien – Wüste, Nationalpark, 3000er
Vesuv/ Pompeji/ Neapel – Vulkan-Urlaub
*Amazon Affiliate Link: Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Wenn du clickst und etwas bestellst, erhalte ich eine kleine Provision, ohne dass du mehr bezahlst. Du unterstützt damit das Gipfelglück Blog. Danke!
Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.