Das Wimbachgries in Berchtesgaden hat einen schlechten Ruf. Wer auf dem Rückweg von der Watzmann Überschreitung ist, dem ist das Gries lästig, weil flach und unendlich lang und anstrengend. Alle auf dem Weg zum Steinernen Meer, zur Ingolstädter Hütte z.B., laufen durch das Wimbachgries aber denken vor allem an ihr Ziel, das Gries ist nur eine Zwischenpassage im Nationalpark Berchtesgaden.
Es ist also Zeit, einmal positiv über das Wimbachgries zu schreiben! Über die Einsamkeit, die Schroffheit, die wilde Landschaft, über einen fantastischen einsamen Berggipfel am Ende des Wimbachgries, und über eine Bergtour, die man auch bei nicht perfektem Wetter machen kann: eine Bergtour zum Hirschwieskopf, auch Hirschwiese genannt, ein Gipfel auf 2.114 m.
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Mit vielen anderen Berggehern starten wir bei ziemlich bedecktem Himmel am (kostenpflichtigen) Parkplatz Wimbachbrücke (ca 635m). Auf dem Weg zum Berg bietet sich die Wimbachklamm als kleine Attraktion an, aber: unbedingt auf dem Hinweg durch die Klamm gehen, sie ist nur in einer Richtung begehbar! Wir hatten es uns (nicht auf Schilder geachtet…) für den Rückweg vorgenommen und standen dann abends mit unseren gekauften Eintrittswertmarken vor verschlossenem Drehgitter. Pech.
Auf dem breiten Weg durch den Wald machen wir ordentlich Tempo, spurten am Wimbachschloss vorbei (dazu später mehr) und bewundern immer wieder die steilen Westwände des Watzmanns zu unserer Linken.
Wir erreichen das Gries – eine Steinwüste, ein trockenes Bett eines breiten Flusses, grau, mit knorrigen Bäumen. Zunächst noch auf einem dicht bewachsenen Wiesenpfad geht es bis zur Wimbachgrieshütte (1.327m).
Auch die Wimbachgrieshütte erscheint in viel positiverem Licht, wenn man von Norden herein kommt, noch am Start der Tour ist und nicht auf dem Rückweg vom Watzmann. Wer von der Watzmann Überschreitung zurückkommt, hat kaum noch die Kraft und Lust, sich wirklich mit der Hütte zu beschäftigen, dann zählt nur die Getränkekarte.
Die Hütte (Schutzhütte des Vereins der NaturFreunde Deutschlands Bezirk München) scheint sich in eine Kurve zu ducken, an den Rand des breiten Fels-Flusses, umgeben von steil aufragenden Wänden von Hinterbergkopf, Großem und Kleinem Palfelhorn, Watzmann und Großem Hundstod. Einsam, abgelegen, aber sehr heimelig und gemütlich, sowohl innen als auch außen. Gefühlt abgelegen, muss man sagen, denn seit dem Parkplatz sind wir nur knapp 2 Stunden unterwegs – doch die wilde faszinierende Landschaft kommt einem vor wie das Ende der Welt.
Auch am Ende der Welt blüht der Almrausch rechts und links des Weges – nach der Hütte queren wir den Fels-Fluss, gehen am rechten „Ufer“ auf einem grünen Pfad neben der riesigen Steinfläche entlang. Richtung Talschluss, den Schildern zum Trischübel und zum Hundstodgatterl folgend. Vorbei an dem winzigen Pfad, der vom Watzmann kommt und unseren kreuzt.
Am Ende des Wimbachgries geht das dann schließlich aufwärts, in Serpentinen durch lichten Bergwald in Richtung Trischübel Pass (der auf 1.754m liegt). Das Reich der Gämsen – mehrfach begegnen wir ihnen auf dieser Tour, sie sind relativ unbeeindruckt von den menschlichen Begegnungen, fressen entspannt weiter. Sie erinnern mich mit ihrem Verhalten tatsächlich an die Tiere auf Galapagos, die die Menschen einfach ignorierten. Genug Zeit für die Menschen, die Gemsen zu beobachten und zu bewundern, in Ruhe zu lassen und weiter zu ziehen.
Wir erreichen eine Wegkreuzung am Trischübel Pass auf 1.754 m- rechts geht es Richtung Hundstod und Ingolstädter Haus, links ist unser Weg, zur Hirschwiese. Unser Pfad (eine steile Wiese hinauf) ist teilweise sehr schmal und ausgesetzt, vom Gipfel ist lange nichts zu sehen. Wir kommen an einer kleinen Jagdhütte vorbei, ein Murmeltier huscht herum. Die Ausblicke werden immer besser, hinüber zum Kärlinger Haus, vor allem hinunter ins gewaltige Wimbachgries. Ich genieße den Blick nach unten in die wilde rauhe Schönheit.
Das Wetter ist schon den ganzen Tag nicht perfekt, bewölkt und trüb, drückend und dampfig. Bisher war das kein Problem, der Weg vom Parkplatz hierher immer gut erkennbar, nicht gefährlich, auch bei mäßig gutem Wetter machbar. Für die letzten 360 Meter zwischen der Wegkreuzung und dem Gipfel wäre es uns recht, wenn es einigermaßen trocken bliebe, abrutschen mag man hier nicht.
Dann zieht Nebel auf. Das Gelände ist etwas unübersichtlich, weit kann es nicht mehr sein, aber im Nebel weitergehen wäre leichtsinnig. Hier oben ist niemand außer uns. Dann ist der Nebel wieder weg, wir gehen vorsichtig weiter und merken, dass der Weg zwar schmal aber sehr gut zu erkennen ist, kaum noch steil, nicht ausgesetzt. Wir stehen auf einer großen Wiese, von Felsblöcken gesprenkelt, dem Watzmann genau gegenüber. Man sieht den Abstieg von der Südspitze, einige Bergsteiger und wieder einige Gemsen. Ein Gipfelkreuz sehen wir immer noch nicht. Bis sich auch die letzten Nebelschwaden lichten und 20m von uns entfernt das Kreuz am höchsten Punkt des Hirschwieskopf auftaucht.
Geschafft, nach 4 1/2 Stunden (mit Pausen), durch das gar nicht so grausige Gries zu einem tollen einsamen Gipfel auf 2.114m. 1.500 Hm, ganze 13 Kilometer. Menschen sieht man weit und breit keine, bis auf die kleinen Punkte, die vom Watzmann absteigen. Die Wolken wehen wild herum, verschwinden, kommen in Schwaden, kommen in großen Feldern.
Ab und an sieht man den Königssee weit unten, die weißen Pünktchen sind wohl Schiffe. Ab und an sieht man die Gotzenalm, ein großer grüner Punkt. Gewaltig und wild, das Wimbachgries von oben. Ab und an treffen unseren Gipfel sogar Sonnenstrahlen!
Es ist windig, wir kauern uns in eine Kuhle, aber es ist kein Gipfel zum länger aufhalten. Sollte das Wetter doch noch umschlagen, hätten wir gerne auch die steilen ausgesetzten Passagen des Abstiegs hinter uns, und so brechen wir bald wieder auf.
Als der steile Hang fast hinter uns liegt, entdecken wir vor der Jagdhütte ein Murmeltier. Es macht Männchen, mitten auf der Wiese, lässt sich nicht stören, als wir vorsichtig näher kommen. Lässt sich nicht stören, obwohl da drei Baby Murmeltiere herumtollen! In ihren Bau kriechen, wieder heraus, mit der Mutter spielen, an der Mutter trinken! So nah und so toll habe ich Murmeltiere noch nie gesehen, eine großartige Erfahrung.
In der Begeisterung geht beinahe unter, dass 5 Meter von den Murmeltieren entfernt auch noch Edelweiß blüht!
Und mit diesen außergewöhnlichen Erlebnissen machen wir uns zurück auf den 13 km Heimweg. Natürlich ist er lang, natürlich ist er zäh. Ein wenig hat das Gries natürlich an Spannung verloren, obwohl die Blicke noch immer gigantisch sind, auch die Blicke zurück.
Kilometer um Kilometer arbeiten wir uns voran, bald geht unser Flüssigkeitsvorrat zur Neige. Also legen wir noch eine Pause ein – im schattigen Garten des Wimbachschlosses auf 987m (das übrigens gerade neue Pächter sucht). Erschöpft aber glücklich lasse ich das Spezi in mich hinein gluckern.
Es ist nicht mehr weit, immer wieder fangen wir an von den Murmeltieren zu reden, noch glauben wir, wir hätten die Wimbachklamm als letztes Highlight vor uns. Bis wir an ihrem Ausgang stehen und merken, dass wir da nicht reinkommen…
Mit unseren Eintrittswertmarken schlurfen wir zurück zum Parkplatz – wirklich enttäuscht sind wir nicht, die tollen Erlebnisse bleiben in Erinnerung, und die Gewissheit, dass das Wimbachgries kein grausamer Fleck Erde ist. Ganz im Gegenteil. Man muss sich nur darauf einlassen und mit Optimismus und Zuversicht an die Tour herangehen und bis zum Hirschwieskopf/ zur Hirschwiese durchhalten.
Datum der Tour: 7. Juli 2018
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Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.