Mittendrin in den Münchner Hausbergen thront mächtig die Benediktenwand, liebevoll auch Benewand genannt. Für ihre Besteigung, und besser noch ihre Überschreitung muss man sich viel Zeit nehmen, am besten eine Hüttenübernachtung auf der Tutzinger Hütte einplanen und bei der ganzen Unternehmung ein wenig aufs Glück hoffen.
Wer Glück hat, sieht Steinböcke – ich sah keinen einzigen.
Wer Glück hat, bei dem hält das Wetter – bestens, kein Regen, kein Gewitter, es war perfekt.
Und das Glück ist bei den Tüchtigen – eine lange Kamm-Überschreitung erfordert Kondition und gute Planung, und gute Planung macht diese durchaus anspruchsvolle Bergtour zu einem großartigen Erlebnis.
Ich empfehle hier übrigens die Überschreitung von West nach Ost, Start in Kochel, Ziel in Lenggries, mit Übernachtung auf der Tutzinger Hütte und ohne Seilbahn-Benutzung.
Tag 1: von Kochel zur Tutzinger Hütte
Wir starten relativ spontan am Sonntag gegen Mittag, fahren mit dem Auto bis Bad Tölz, parken (kostenlos!) am Bahnhof und nehmen den Bus nach Kochel (Ticket 5,80 Euro). Direkt an der Bushaltestelle Pessenbach-Ötzschlössl beginnt der Wanderweg Richtung Orterer Alm und Rabenkopf, er ist steil, schweißtreibend und recht mühselig, dafür aber im schattigen Orterer Wald, worüber man sich im Juli ja durchaus freut. Der Pessenbach plätschert neben dem Weg vor sich hin.
Nach knapp einer Stunde erreichen wir die Orterer Alm im Talschluss; vor allem beim Blick zurück ist es eine Alm wie aus dem Bilderbuch. Wanderer sitzen an Tischen und im Gras, genießen die Sonne und den Sommer. Man hört keine Geräusche außer Vogelgezwitscher, leises Gemurmel und Gläserklirren. Uns zieht es aber gleich weiter, wir wollen rechtzeitig zum Abendessen die Tutzinger Hütte erreichen.
Es geht nun richtig steil am Rand der Rinne den Wiesenhang hinauf, Stufen und kleine Serpentinen erleichtern dies nicht unbedingt. Bald sind wir wieder im Wald, und nach ca 2 Stunden am Pessenbacher Sattel. Von hier gehen zwei Wege zum Rabenkopf hinauf, ein längerer über die Staffelalm, ein kürzerer, direkterer an der Bergwachthütte vorbei. Ich gönne mir eine lange Pause unter dem Kreuz und warte bis mein Begleiter über die kurze Variante zum Gipfel und zurück sprintet. Auch wenn Juli ist – beim Warten am Berg leistet eine Daunenjacke auch im Juli gute Dienste!
Zur Tutzinger Hütte geht es anschließend eben dahin, man verliert sogar an Höhe, doch der Weg ist schön zu gehen, sogar der kurze Abschnitt Forstweg ist nicht so schlimm.
Bis es noch mal richtig bergauf geht, kleine Serpentinen, eine nach der anderen, bis zur Glaswandscharte (1.324m), und noch einmal 200m bis zu einer Abzweigung: links zur Tutzinger Hütte, rechts zum Gipfel der Benediktenwand. Hierher werden wir morgen früh also zurückkommen.
Nach dem Abzweig am höchsten Punkt geht es nun wirklich bergab, wir hören Kuhglocken und sehen tief unter uns die Tutzinger Hütte (1.327m). Tische und Bänke draußen verweist, die Sonnenschirme zugeklappt. Als wir um 19 Uhr die Hütte erreichen, ist das Abendessen in vollem Gange, die Schlafsäle voll, immer wieder fällt das Wort “Venedig” – an der Tutzinger Hütte machen die toughen tapferen Alpenüberquerer Station.
Am Sonntag abend ist hier alles entspannt, die hohe Nordwand der Benewand klebt scheinbar direkt vorm Fenster, es gibt warmes Wasser im Badezimmer zum Waschen, in der Stube Kasspatzen und UNO Karten, keiner schnarcht. So viel zum Glück, von dem ich oben sprach. Auch ohne Steinböcke.
Tag 2: Tutzinger Hütte – Benediktenwand – Lenggries
Am Montag morgen ist es sonnig und warm genug um draußen zu frühstücken und die steile Wand zum Gipfelkreuz der Benewand hinaufzuschauen. Einer nach dem anderen stapft los und ist noch eine ganze Weile von der Hütte aus zu beobachten. Die einen haben Venedig im Kopf, die anderen – wie wir – “nur” Lenggries.
Zum Gipfelkreuz der Benewand (1.800m) zu gelangen ist noch leicht, wir sind flott und nach rund einer Stunde oben. Alleine genießen wir die Aussicht auf die umliegenden bayrischen Berge, unmittelbar gegenüber Blomberg, Herzogstand & Heimgarten, Estergebirge, Juifen und Schafreuter, Guffert, Blauberge, Ross- und Buchstein und viele weitere. Tief unter uns (fast 500 Meter) die Tutzinger Hütte.
Durchaus anspruchsvolle Kraxelstellen im Auf- wie im Abstieg erwarten uns auf den rund 3 1/2 Stunden auf der Kammüberschreitung über die Achselköpfe und den Latschenkopf. Dort hat uns die Zivilisation wieder, Anzahl und Art der Wanderer lassen die Nähe zur Brauneck Seilbahn erkennen. Doch die eigentliche Überschreitung zwischen Benediktenwand und Latschenkopf ist herrlich einsam. Fast immer hält man bei entgegenkommenden Bergsteigern kurz an und tauscht sich über die Strecke aus.
Ohne nun allzu detailliert zu werden: es ist keine Kletter- oder Klettersteigausrüstung notwendig, Erfahrung im alpinen Gelände sollte man aber mitbringen, um die teilweise ausgesetzten, steilen und seilversicherten Abschnitte zu meistern. Wer bergerfahren ist, wird viel Freude an der Überschreitung der Benediktenwand haben.
Das Gelände ist durchaus abwechslungsreich, es geht oft durch Latschen hindurch, unterbrochen von felsigen Stellen, mal ein Schneefeld, mal eine Wiese, mal eine Leiter. Hinweisschilder sind selten, tauchen aber dann auf, wenn man den schwierigen Überschreitungsweg durch einen leichteren Abschnitt umgehen kann.
Leuchtend türkis sieht man immer wieder den Walchensee, dunkelgrau Staffelsee und Starnberger See. Bad Tölz scheint so nah, doch im Kopf ist die Abfahrt mit dem Bus Richtung Kochel so viel länger her als einen Tag, die Benediktenwand Überschreitung ist eine Überschreitung weit weg vom Alltag.
Ist man am Latschenkopf schon von den anderen Menschen irritiert, so kommen am Brauneck noch mehr Zeichen von Zivilisation hinzu. Hütten, Almen, Baufahrzeuge, Hinweise auf Skibetrieb, Stie-Alm, Quengeralm, Hütten für Bergwacht, Liftbetreiber uvm. Wir machen eine letzte Pause am Brauneckhaus (1.540m), bei Kuchenglück und Gipfelglück.
Steil und langweilig ist schließlich der Weg hinunter nach Lenggries, aber nach einem langen Tag hat man eh keine Lust mehr und gibt sich mit dem Skipisten-Forst-Weg zufrieden. Wir kommen am Bikepark Lenggries vorbei und an der Talstation der Bergbahn und überqueren nach 7 1/2 Stunden (mit Pausen) die Isar in Lenggries (679m). Beim Warten auf die BOB stellen wir fest: nach Bad Tölz, wo unser Auto steht, fährt auch ein Bus. Frühere Abfahrt als die BOB, und auch wenn es länger dauert, werden wir früher ankommen als mit dem Zug. Und so lassen wir uns gemütlich mit dem Bus zum Parkplatz zurück kutschieren.
Datum der Tour: 3. und 4. Juli 2016
Alle Höhenangaben aus der Kompass Wanderkarte 182 Isarwinkel Bad Tölz, Lenggries
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Gastautorin Torkelbiene hat von einer längeren Hüttentour rund um die Benediktenwand berichtet
Eine kürzere Variante einer Bergbahn-Bergtour auf die Benediktenwand gibt es im Gipfelsammler-Wanderführer
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Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
3 Kommentare
Hi Stefanie,
coole Tour, die merk ich mir :-)
Liebe Grüße
Florian
Hallo Stefanie!
Vielen Dank für diesen wunderbaren Bericht!
Wenn das Wetter passt, werde ich diese Tour nächstes Wochende mal ausprobieren!
Vielen Dank für diesen genialen Blog mit unzähligen guten Tips!
Beste Grüße Daniel
Für so eine lange Tour braucht man schon gutes Wetter. Nicht so einfach diesen Sommer…