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Sensationelles Tisenjoch/ Schnalstal: Bergtour zur Ötzi Fundstelle

von Stefanie Dehler
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Bei der Wanderung aus dem Schnalstal zur Ötzi Fundstelle erreicht man keinen Gipfel, dennoch ist es eine sehr besondere Bergtour am Alpenhauptkamm, im Grenzgebiet von Österreich und Italien.

Die meisten von uns haben von der Geschichte aus den 90ern gehört, als „irgendwo in den Südtiroler Gletschern“ eine Mumie gefunden wurde, die als archäologische Sensation gefeiert wurde. So viel lernte man durch die wissenschaftliche Analyse, so begeistert waren alle, die Ötzi seitdem im Museum in Bozen sehen konnten.

Weniger wissen, dass man mit etwas Bergerfahrung und Trittsicherheit relativ einfach zu der Fundstelle am Tisenjoch wandern kann, aus dem südtiroler Schnalstal auch als lange Tagestour. Wo das Tisenjoch sich genau befindet, war mir persönlich bis vor kurzem auch nicht klar, während mich die Geschichte des Ötzi schon lange fasziniert.

Dieses Jahr war es so weit: vom Schnalstal aus ging es über die Similaunhütte zur Fundstelle des Ötzi. Auch Wochen nach dieser Bergtour bin ich mit den Gedanken immer noch dort oben und in der Geschichte des Mannes aus dem Eis, der sich wahrscheinlich nie hätte träumen lassen, dass 5300 Jahre später Leute auf seinen Spuren reisen und Artikel über ihn schreiben. 5.300 Jahre!

Werbehinweis: Die Reise erfolgte auf Einladung der Tourismusgenossenschaft Schnalstal. Der Artikel enthält Affiliate Links*. Findest du Inspiration, findest du Gefallen an diesem Artikel und diesem Blog? Lade mich auf einen Kaffee ein! Abonniere gerne auch den kostenlosen Newsletter und folge Gipfelglück auf Komoot.

Wild und einsam: auf dem Weg zur Ötzi Fundstelle
Wild und einsam: auf dem Weg zur Ötzi Fundstelle. Foto: @bergundball

Die „berühmteste Mumie der Welt“?

Ein Satz vorweg, der mich während des Schreibens beschäftigt hat. Es geht um „den Fund“, „die Mumie“, „die Leiche“, „die archäologische Sensation“, wenn man von Ötzi spricht. Letztendlich ist das aber ein Mensch gewesen, der vermutlich ermordet wurde, ein Mensch. Manche Sätze habe ich 5 mal neu geschrieben, um irgendwie den Respekt zu wahren vor diesem Menschen, der 5000 Jahre später so weltberühmt wurde, weil man seine Leiche gefunden hat. Nicht leicht, die richtigen Worte zu finden, wenn man man erst einmal anfängt, darüber nachzudenken.

Außerdem: das Denkmal für den Ötzi steht in der Nähe der tatsächlichen Fundstelle, aber nicht exakt. Trotzdem rede ich in diesem Artikel von „Fundstelle“, wenn das Denkmal gemeint ist.

Die Tour beginnt: aus dem Schnalstal zum Tisenjoch, zur Ötzi Fundstelle
Die Tour beginnt: aus dem Schnalstal zum Tisenjoch, zur Ötzi Fundstelle. Foto: @bergundball

Unsere Bergtour zur Ötzi Fundstelle

Start ist im Ort Vernagt im Schnalstal (1.700 m), neben der Kirche oberhalb des Stausees ist ein kleiner Parkplatz. Man folgt von dort den Schildern zur Similaunhütte. Es geht zunächst durch Wiesengelände, wo die Murmeltiere pfeifen und die Kühe mampfen. Viele Leute kommen uns von oben entgegen, die einen kehren von der Similaun-Besteigung zurück, die anderen sind auf den letzten Metern ihrer Alpenüberquerung. Bald geht das grüne Gras in grauen Stein über. Für die nächsten Stunden bestimmen Geröll und Fels die Landschaft.

Übergang von der Wiese ins Geröll
Übergang von der Wiese ins Geröll

Etwa auf der 3000 Meter Marke kommt die Similaunhütte in den Blick, in einer Mischung aus blauem Himmel und Nebelschwaden. Beide wechseln sich hier direkt am Hauptkamm, direkt an der Grenze zwischen Österreich und Italien den ganzen Tag über ab, leider gewinnt meistens der Nebel die Oberhand. Umso schöner, wenn immer mal wieder der Similaungipfel und die umgebenden Gletscher sichtbar sind.

Die letzten Meter zur Similaunhütte auf 3000 m Höhe
Die letzten Meter zur Similaunhütte auf 3000 m Höhe

A propos Gletscher. Ein trauriges Thema. Verglichen mit alten Bildern ist es ein Trauerspiel. Ist Ötzi nicht als „Mann aus dem Eis“ bekannt? Dass man seine Leiche fand, ist noch nicht lang her. Zwischen Similaunhütte und Fundstelle kommen wir über keinerlei Gletscherreste, nur ein paar Schneefelder. Unvorstellbar, dass noch in den 90ern hier so viel Eis war, dass sich darin eine 5000 Jahre alte Leiche versteckte.

Similaun und sein Gletscher
Similaun und sein Gletscher

Der Weg von der Similaunhütte zur Fundstelle ist markiert aber wild. Es ist sehr sehr einsam hier, ein Gefühl, das der Nebel noch verstärkt. Ob es vor 5000 Jahren so viel anders war?

Der Weg geht in ständigem Auf und Ab den Grat entlang, manchmal mit Stahlseil zum Festhalten oder mit Eisennadeln zum besseren Gehen. Die vielleicht einzigen Unterschiede zur Kupferzeit, von Ausrüstung und Kleidung natürlich abgesehen. Mit etwas Bergerfahrung und Trittsicherheit ist der Weg gut zu gehen, allerdings musst du beachten, dass du auf über 3000 Meter unterwegs bist. Wenn die Fundstelle das Ziel einer Tageswanderung aus dem Schnalstal für dich ist, dann bist du nicht akklimatisiert, und du hast schon über 1000 Höhenmeter in den Beinen – erwarte also keinen gemütlichen Spaziergang.

Auf und ab auf dem Weg zur Ötzi Fundstelle
Auf und ab auf dem Weg zur Ötzi Fundstelle

Die Einsamkeit, die Wildheit machen genau den Reiz dieser Tour aus. Felsen im Nebel, in alle Richtungen. Kein Ziel in Sicht, auf das man sich hinbewegen würde, einfach nur im Zickzack durch die Felswüste, von Markierung zu Markierung. Ab und an ein Blick auf die Online Karte und den blauen Punkt am GPX Track. Und dann taucht im Nebel etwas auf, dass unnatürlich gerade Kanten hat, eine menschgemachte Symmetrie.

Das Denkmal für den Mann aus dem Eis auf 3.210 m am Tisenjoch.

Denkmal an der Ötzi Fundstelle
Denkmal an der Ötzi Fundstelle

Ursprünglich lautete unser Ziel eigentlich Finailspitze. Noch eine knappe Stunde weiter, noch 300 Höhenmeter mehr. Der Berggipfel, von dem die Eheleute Simon zurück kamen, als sie im Abstieg die Entdeckung ihres Lebens machten. Wir entscheiden uns aufgrund des Wetters gegen den Gipfel – die Sicht ist gleich null, auch das Denkmal an der Fundstelle ist ein besonderes Ziel. Sogar ein Geocache liegt hier und ist schnell gefunden.

Gipfelglück an der Ötzi Fundstelle am Tisenjoch zwischen Schnalstal und Ötztal
Gipfelglück an der Ötzi Fundstelle am Tisenjoch zwischen Schnalstal und Ötztal. Foto: @bergundball

Wir machen also unsere Erinnerungsfotos, essen einen Happen und denken darüber nach, was vor 30 Jahren hier geschah. Und vor 5300 Jahren – denn wie man heute weiß, wurde Ötzi hier am Tisenjoch ermordet. Dann begrub ihn ein Gletscher. Was für ein Ort!

Gemütlich ist es hier nicht, bald gehen wir zurück zur Similaunhütte. Begleitet von einem wunderschönen Steinbock, der in der Steinwüste sein Fressen sucht und von uns Menschen völlig unbeeindruckt ist, während wir so nah dran kaum zu atmen wagen. Was für ein Tag!

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Pause auf der Similaunhütte 3.019 m

Was unsere Bergtour 2024 auch von der Tour des Ötzi 5000 Jahre vorher unterscheidet: wir können in der Similaunhütte einkehren und uns etwas erholen. Sie ist privat, nicht von einem Alpenverein betrieben. Die große Stube ist gemütlich, bei erfrischender Hollerschorle und heißer Nudelsuppe kommen die Kräfte schnell zurück – schließlich müssen wir noch 1300 hm nach Vernagt absteigen.

Ist es zu glauben, dass zufällig Reinhold Messner hier auf der Hütte saß, als die Simons den Ötzi fanden?

Mehr erfahren: www.similaunhuette.com

Heiße Suppe an der Similaunhütte
Heiße Suppe an der Similaunhütte

Der Abstieg zieht sich, aber er wird Schritt um Schritt sonniger. Das intensive Blau des Vernagt Stausees zieht uns wie magisch nach unten, viel Zeit, all das heute Erlebte zu verarbeiten. Wie ich schon im ersten Artikel zum Schnalstal erzählt habe, kommt nach dem Abstieg der größte Vorteil im Jahr 2024 im Schnalstal unterwegs zu sein: ein gemütliches Hotel, eine heiße Dusche und ein fantastisches Abendessen.

Abstieg von der Similaunhütte zum Vernagt Stausee im Schnalstal/ Südtirol
Abstieg von der Similaunhütte zum Vernagt Stausee im Schnalstal/ Südtirol

Ötzi und seine Zeit

Neben der Mumie des Ötzi hat man sowohl im Schnalstal als auch im Ötztal archäologische Funde analysiert. Pfeile, Kleidung, Pflanzen usw. Seit unfassbar langer Zeit wandern Menschen über die Alpen, vom einen ins andere Tal. Wir wissen, wie die Menschen auf die Jagd gingen, was sie gegessen haben, welche Kleidung sie trugen, wie sie sich vor der Kälte schützten. Sie arbeiteten mit Metall, tauschten Waren aus, waren unterwegs.

Viele Fragen sind noch immer offen und werden wohl auch nie beantwortet. Allen voran: wer hat ihn ermordert und warum? War er ein Bösewicht oder unschuldiges Opfer?

Natürlich, Ötzi würde sein Schnalstal nicht wieder erkennen. Da fahren die modernsten Seilbahnen auf die Gipfel, Leute sind mit Ski und MTBs unterwegs. Menschen werden 80 Jahre alt, werden 2 m groß und reisen um die ganze Welt. Aber ganz oben, rund ums Tisenjoch, besonders dann, wenn die Nebelschwaden durchziehen: dort ist es nicht viel anders als vor 5000 Jahren. Ein unglaublicher Gedanke.

Im Abstieg von der Similaunhütte nach Vernagt
Im Abstieg von der Similaunhütte nach Vernagt

Als Ötzi gefunden wurde

Erika und Helmut Simon aus Nürnberg sind offiziell die Finder von Ötzi. Sie waren auf der Fineilspitze, die wir selber ja auch angepeilt hatten. Der Sommer 1991 war extrem heiß gewesen, viel Gletschereis war geschmolzen. An jenem Septembertag sehen die Simons Leichenteile, die der Gletscher wohl gerade freigegeben hatte. Sie sagen an der Similaunhütte Bescheid, der Wirt verständigt die Bergrettung, alle gehen von einem vermissten Bergsteiger oder Skitourengeher aus.

Beim genauen Hinsehen erkennt man an der altertümlichen Axt, an Pfeil und Bogen, an der Kleidung, dass hier kein neuzeitlicher Bergsteiger gefunden wurde. Dieser Fund ist sensationell.

Ich finde faszinierend, wie viel die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den letzten Jahrzehnten herausfinden konnten, indem Sie die Leiche und Ötzis Ausrüstung und Kleidung analysierten. Und auch die Geschichte vom Tag des Fundes bis zu der Zeit, wo wir alle Ötzi in Bozen im Museum durch ein kleines Fenster anschauen können, ist unglaublich interessant!

Gute Zusammenfassungen und jede Menge Details mit Fotos liefern der BR sowie Planet Wissen.

Aufschrift am Denkmal nahe der Ötzi Fundstelle
Aufschrift am Denkmal nahe der Ötzi Fundstelle

Mehr über den Ötzi lernen

Südtiroler Archäologiemuseum in Bozen

Die beste Ergänzung zur oben beschriebenen Bergtour zur Fundstelle. Eins der besten Museen, wo ich je war. 2019 habe ich darüber in meinem Bozen Reisebericht geschrieben.

Mehr erfahren: www.iceman.it

Ötzidorf in Umhausen im Ötztal

Auf der Nordseite des Tisenjochs, im Tiroler Ötztal, kannst du dieses Outdoor-Museum besuchen. Details findest du in meinem Ötztal Artikel aus dem Jahr 2022.

Mehr erfahren: www.oetzi-dorf.at

archeoParc im Schnalstal

Ein „archäologisches Erlebnismuseum mit Freigelände“, in dem man Ötzis Lebensraum entdecken kann. Bei meinem Besuch im Schnalstal war die Zeit zur kurz – und am Ende das Wetter zu schlecht für ein Outdoor Museum, leider, ich bin mir sicher ich wäre begeistert gewesen vom archeoParc.

Mehr erfahren: www.archeoparc.it

Buchtipp: Gabriele Bayerlein erzählt vom Gletschermann

Ein Kindersachbuch aus der Reihe „Erde Wasser Feuer Luft“ von Oetinger, derzeit nur gebraucht zu kaufen, zB hier bei Amazon*. Am Beispiel von Ötzi lernt man viel über die Kupfersteinzeit. Auch für Erwachsene geeignet!

Buchtipp: Der letzte Pfeil (Roman)

Neben den Fakten der Archäologie die Geschichte von Woher, Wohin und Warum. Mein Buchtipp aus dem Mai 2017!

Wilde Einsamkeit am Tisenjoch hoch über dem Schnalstal
Wilde Einsamkeit am Tisenjoch hoch über dem Schnalstal

Datum dieser Tour: Anfang September 2024

Alle Höhenangaben stammen aus Infomaterial des Schnalstals. Empfehlenswert ist zusätzlich die Kompass Wanderkarte 51 Naturns, Latsch, Schnalstal. Hier kannst du die Wanderkarte bei Amazon bestellen* oder hol sie dir in deiner Lieblings-Buchhandlung.

Erinnerung ans Schnalstal: an der Similaunhütte
Erinnerung ans Schnalstal: an der Similaunhütte. Foto: @bergundball

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Die Ötzi Tour als GPX Track auf Komoot

Auch im Schnalstal: Ich habe die Transhumanz miterlebt, die Alpenüberquerung der Schafe

Zur Website des Schnalstals

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Am Tisenjoch, der Ort, an dem man den Ötzi fand
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2 Kommentare

Barbara 17. November 2024 - 11:23

Hallo Stephanie,
Wie toll, dass Ihr da gewandert seid!
Das hatte ich mir diesen Sommer überlegt, allerdings ging es sich zeitlich nicht aus. Wir waren im Etschtal, in Laas. Da ist das nicht so weit weg. Habe ich mir fürs nächste Mal vorgemerkt.

Herrn Simon kannte ich ein wenig. Der hat in der Stadtbibliothek Nürnberg gearbeitet und ich habe dort während des Studiums gejobbt. Das war damals echt eine Sensation. Ein richtiger Bergsteiger, der über Gletschergeht, dachte ich mir – irre, dass die inzwischenfast weg sind.

Die Tour ist sicherlich was besonderes.

Liebe Grüße
Barbara

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Stefanie Dehler 18. November 2024 - 12:15

Hi Barbara,
Herrn Simon zu kennen macht die ganze Geschichte ja noch spannender. Ich drück dir die Daumen, dass du bald mal am Tisenjoch unterwegs sein kannst. LG Stefanie

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