Nach dem Wochenende im Schnalstal in Südtirol stellte sich mir eine Frage: warum bin ich nicht schon längst mal hier gewesen? Endlich! Denn skifahren, wandern und gut essen kann man in Südtirol in vielen Tälern aber das Schnalstal hat zwei riesige Highlights, die ganz nach meinem Geschmack sind: Ötzi und die Transhumanz.
Bei beiden Themen ist der Besuch vor Ort das eine, die Hintergründe, Drumherum-Geschichten und Gedankenanstöße das andere. Der Besuch vor Ort gehört dazu, um beides greifbarer zu machen: Da ziehen Tausende von Schafen jeden Frühling vom Schnalstal über den Alpenhauptkamm ins Ötztal zum Fressen, und im Herbst wandern sie wieder zurück, seit über 600 Jahren gibt es diese Tradition der „Transhumanz“.
Und seit unvorstellbaren 5000 Jahren sind Menschen in diesen Bergregionen von über 3000 m Höhe unterwegs. Das wissen wir, weil vor rund 30 Jahren Wanderer auf dem Weg zur Finailspitze Ötzi, die Gletscher-Mumie gefunden haben, die nun im Museum in Bozen liegt und Archäolog:innen und Historiker:innen aus der ganzen Welt faszniert, und so Leute wie mich.
Neben den beiden Highlights hat auch das Schnalstal Wanderwege, Klettersteige, Trailrunning Strecken und tolles Essen zu bieten. Vielleicht motivieren dich die Reisetipps, den nächsten Südtirol-Urlaub einmal im Schnalstal zu verbringen.
Werbehinweis: Die Reise erfolgte auf Einladung der Tourismusgenossenschaft Schnalstal, der Artikel enthält Affiliate Links*. Findest du Inspiration, findest du Gefallen an diesem Artikel und diesem Blog? Lade mich auf einen Kaffee ein! Abonniere gerne auch den kostenlosen Newsletter und folge Gipfelglück auf Komoot.

Inhaltsverzeichnis
Wo liegt das Schnalstal?
Trubelig ist es im Vinschgau, auf der belebten Straße vom Reschensee über Schluderns und Schlanders*. Geschäftiges Treiben im breiten, sonnigen Tal – die Apfelernte steht kurz bevor. Im Süden spitzen Gipfel aus Schnee und Eis hervor. Dann biegt man kurz vor Naturns links ab, fährt durch einen Tunnel, und landet in einer anderen Welt!
Im Schnalstal schlängelt sich die Straße ein enges, schattiges Tal empor, kaum noch Apfelbäume sind zu sehen, mehr Felswände. Es ist auch kaum noch jemand unterwegs, es geht stetig bergauf. Da, wo das Tal breiter wird, stehen ein paar alte Bauernhöfe, oft weit oben, wo sie ein paar Sonnenstrahlen einfangen können.

Sobald man sich nicht mehr auf die Straße konzentrieren muss, bemerkt man die Ruhe und Entspanntheit hier, der Trubel ist vorbei. Sechs Dörfer haben sich dort gebildet, wo die Felswände auseinanderstreben und Platz machen für Wiesen, Weiden und Häuser: Katharinaberg, Pfossental, Karthaus, Unser Frau, Vernagt und Kurzras. Nördlich des Tals befindet sich das Ötztal in Österreich, dazu kommen wir gleich noch.
*Nur der Vollständigkeit halber: Du kannst auch „von der anderen Seite“ über den Brenner und Meran anreisen. Je nachdem, von wo du startest, ist vielleicht eine Variante kürzer – vielleicht auch nicht und du kannst Hin- und Rückfahrt abwechslungsreich gestalten.

Vernagt Stausee 1.689 m
Ein wahrer Hingucker, der Stausee in Vernagt. Dort auf 1.689 m startete und endete unsere Bergtour zur Ötzi Fundstelle, dort kommt man auf dem Weg nach Kurzras vorbei. Je nach Tageszeit und Sonnenstand ändert der See seine Farbe – und das Türkis ist unglaublich schön!
Das Wasserkraftwerk Naturns nutzt das Wasser des Sees zur Stromerzeugung. Ein leichter Wanderweg von ca 7 km führt rund um den See, leider war die Zeit für uns zu kurz dafür…

Alpenüberquerung für Schafe: die Transhumanz
Die Transhumanz im Schnalstal miterleben, das ist eins der wenigen Erlebnisse, nach denen man den ganzen restlichen Tag das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht bekommt. Unterbrochen höchstens von ungläubigem Kopfschütteln.
Denn: wie kamen vor 600 Jahren die Schnalstaler Südtiroler auf die Idee, dass auf der anderen Seite der Berge, im Ötztal, das Gras grüner ist und dass ihre Schafe dort doch ganz gut den Sommer verbringen könnten? Dass man sie im Frühling über Schnee und Gletscher nach Norden wandern lässt und Anfang September wieder zurück holt nach Südtirol? Eine verrückte Idee, die inzwischen zum Immateriellen Kulturerbe der UNESCO zählt.
Das allertollste daran: ich konnte endlich einmal dabei sein bei dem Spektakel, am Tag, als über 1000 Schafe aus dem Ötztal zurück ins Schnalstal wanderten. Mit einigen anderen Leuten spazierten wir auf dem Schotterweg von der Grawand herunter (siehe unten) Richtung Schöne Aussicht/ Bella Vista Hütte 2.845 m und sahen schon von weitem eine wuselige Masse, hörten das Blöken unzähliger Tiere und Gebelle der Hüte-Hunde.

Der Begriff Schäfchen Zählen bekommt ganz neue Dimensionen, es ist unmöglich, so dicht wie alle zusammen stehen und durch die nachrückenden Schafe immer dichter gedrängt werden. Die Treiber und Hirten machen Mittagspause in der Hütte, die Schafe und Ziegen warten, wir gehen schon einmal voran, einen schmalen Pfad hinab Richtung Kurzras.
Als der enge Weg dann in weite Wiesen übergeht, warten wir auf den zweiten Teil des Spektakels. Nach fast 20 km Wanderung haben die 1.500 Schafe immer noch Energie, sie rennen den Weg hinunter, auf dem wir aufgrund der Nässe relativ vorsichtig Schritt vor Schritt gesetzt haben. Vielleicht haben sie auch einfach Hunger.

Die einen rennen Richtung Heimat, die anderen knabbern rechts und links an den besten Grashalmen. Manch Ziege hat keine Lust mehr zum Weiterwandern und holt sich ein paar Streicheleinheiten ab. Wir wurden vorher gebeten uns nicht den Tieren in den Weg zu stellen – die Schafe wissen das aber nicht, irgendwann sind Tiere überall und wir mittendrin. Immer wieder hört man panisches Pfeifen der Murmeltiere. All das unter den Augen der Caribinieri, die sehr genau überwachen, was da aus Österreich ins Land kommt.

Am Ende des Tages wartet in Kurzras, am Talschluss des Schnalstals, ein Festzelt auf Hirten, Treiber und Gäste. Allerdings beginnt nun der Regen, der sich den ganzen Tag schon angekündigt hat. Wir fahren mit dem Sessellift die letzten Meter und verabschieden uns dann aus dem Schnalstal, immer noch das Grinsen im Gesicht. Was für ein Erlebnis!

Grawand 3.251 m
3000er ist 3000er – auch wenn die Grawand eine andere Art 3000er ist als die, auf denen ich in den letzten Jahren stand. Tatsächlich ist die Grawand trotz 3.251 m Höhe ein 3000er, für den man keinerlei bergsteigerische Fähigkeiten haben muss.
Auf meinem Komoot-Kanal findest du unseren GPX Track von der Grawand über die Bella Vista Hütte bis nach Kurzras.
Mit der Cabrio Gondel auf die Grawand
Zunächst nimmt man nämlich die Gondelbahn von Kurzras aus, die Talstation liegt bereits auf 2.011 m. Wirklich cool ist es, das “Cabrio Ticket” für die Gondel zu kaufen – dann fährst du nämlich auf dem Dach der Gondel! Das Dach erreicht man über eine kleine Wendeltreppe in der Gondel. Sehr spannend, der Wind weht dir um die Nase, der Fels kommt immer näher und es steht dir keiner im Weg beim Fotografieren.
Fun Fact: dies ist die höchste Seilbahn Südtirols!
Mehr Infos: Website der Schnalstaler Gletscherbahnen AG

Der Grawand-Gipfel: Ein wirklich einfacher 3000er
Die Bergstation der Grawand Gondel befindet sich auf 3.212 m, dort ist tatsächlich auch ein Hotel, das höchstgelegene Hotel in Europa! Bizarr… am meisten ist dort wohl ab Herbst los, wenn die Skisaison auf dem Schnalstaler Gletscher beginnt.
Um zum Gipfel der Grawand zu gelangen, steigt man dann tatsächlich eine rostfarbene Metall-Treppe hoch – das meine ich mit andere Art Dreitausender. Oben gibt es ein traditionelles Gipfelkreuz aber auch eine moderne Aussichtsplattform, Iceman Ötzi Peak, die beim Bau 2020 wohl recht umstritten war. Sie hat eine Art Tor in der Richtung, wo 1991 die Mumie des Ötzi gefunden wurde. Darüber erzähle ich mehr in meinem Bericht zur Wanderung zu der Fundstelle. Bei perfektem Wetter sieht man wohl gigantisch weit, auf 126 Dreitausender! Wir hatten kein perfektes Wetter, was traurig aber nicht so tragisch war.

Kunst auf 3000 Metern: “Our Glacial Perspectives” von Olafur Eliasson
Bevor wir von der Grawand zum nächsten Ziel wandern, machen wir noch Halt am Kunstwerk “Our Glacial Perspectives” von Olafur Eliasson. Eine Reihe von neun Toren führt zu einer Konstruktion aus Ringen aus Stahl und Glas mit einer Plattform in der Mitte.
Vor Ort war es einfach ein Genuss, an dieser Stelle mitten in einem Kunstwerk zu stehen, erst am Abend habe ich mir die Bedeutung der einzelnen Bestandteile und die vielen Gedanken hinter dem Kunstwerk durchgelesen. Sehr beeindruckend! Und bemerkenswert, denn nur wenige Wochen vorher hatte ich im fernen Singapur eine Ausstellung mit Werken von Olafur Eliasson besucht.
Mehr Infos: www.ourglacialperspectives.com

Übernachten im Schnalstal: Berghotel Tyrol
Es gibt ein „Geheimnis“, wie man lange Bergtouren gut meistert, oder lange Tage mit nur mittelgutem Wetter, sowohl körperlich als auch mental, und dieses Geheimnis besteht aus zwei Teilen: Frühstück und Abendessen! Wenn der Speiseraum gemütlich ist, wenn man morgens nach den Plänen gefragt wird und abends, wie diese gelaufen sind, wenn einem beim Anblick von Menüfolge und Frühstücksbuffett das Wasser im Munde zusammenläuft, dann ist der Grundstein für einen guten Tag am Berg gelegt.
Das Berghotel Tyrol ist ein 3-Sterne-S Hotel im Ort Unser Frau im Schnalstal und man merkt, hier versteht man etwas vom Kochen, Backen und Drinks-Mixen. Will man am Abend vor einer langen Tour lieber auf Alkohol verzichten, gibt es meistens nicht viel Auswahl außer Wasser, Almdudler oder Weißbier. Im Berghotel Tyrol wählst du aus einer langen Liste an alkoholfreien Cocktails aus, zum Beispiel wie ich den „Ötzi“ aus Apfel, Limette, Cranberry, Himbeer und Minze, oder einen „Mountain Spirit“ oder einen „Snow Runner“.
Dazu gibts Mini-Pizzastückchen versteckt im Salat-Buffett, Heidelbeer-Kuchen zum Frühstück, Käse-Karotten-Knödl und Apfelstrudel mit extra viel Vanillesauce.
Ein Hallenbad gibt’s auch, für die Zeit zwischen Berg und dem nächsten Glas „Ötzi“. Beim Bahnen-Ziehen lässt es sich ja vortrefflich nachdenken, über Ötzi, Schafe und Olafur Eliasson.
Mehr zum Hotel: www.berghoteltyrol.com

Buchtipp: Bergland
Der Roman Bergland von Jarka Kubsova spielt nicht direkt im Schnalstal. Von Lana und Meran ist immer mal die Rede, es geht um Berg-Bauernhöfe und Berg-Tourismus, die Geschichte könnte sich durchaus so ähnlich auch im Schnalstal abgespielt haben.
Es geht in „Bergland“ um mehrere Generationen einer Familie, von Rosa über Sepp bis Franziska mit ihren Familien. Wie sie auf ihrem abgelegenen Bauernhof leben, wie sie mit den Herausforderungen ihrer Zeit umgehen und mit einander. Oft gibt es nicht den einen richtigen Weg – und erst Jahre oder Generationen später werden die Konsequenzen ihrer Entscheidungen deutlich.
Zum einen passt der Roman natürlich, wenn man gerade in Südtirol ist, oder gerade zurück von der Reise ist und noch Schüttelbrot, Äpfel und Wein in der Küche stehen. Aber eigentlich liest er sich immer gut, die Personen werden sehr sympathisch und mit viel Verständnis beschrieben, viele Themen ziehen sich durch alle Kapitel und doch ist es am Ende doch sehr anders als am Anfang…
Info zum Buch: Bergland von Jarka Kubsova, erschienen 2023 im Goldmann Verlag, ISBN 978-3442493548. Hier kannst du das Buch bei Amazon bestellen*, oder hol es dir in deiner Lieblings-Buchhandlung!

Tageswanderung zur Ötzi-Fundstelle
Hier nur ganz kurz, weil dazu demnächst ein eigener ausführlicher Artikel kommt. Von Vernagt aus kannst du in ca 7 h Gehzeit, 18 km und 1.600 hm bis zur Fundstelle der Ötzi Mumie wandern, über die Similaun Hütte. Es ist lang und ab der Hütte auch durchaus anspruchsvoll, es ist wild und einsam und aufregend. Und wenn du Glück hast, begegnest du auf dem Rückweg einem Steinbock.
Viele kommen bei ihrer Alpenüberquerung zwischen Oberstdorf und Meran an der Fundstelle vorbei. Mit genug Zeit und dem richtigen Wetter ist es bestimmt fantastisch, auf der Similaun Hütte zu übernachten, auf den Similaun 3.599 m zu gehen oder zur Finailspitze. Aber ohne all das kannst du einfach auch nur bis zum Denkmal für den Mann aus dem Eis und wieder zurück wandern.
Update: Hier geht es zum ausführlichen Bericht der Tour zur Ötzi Fundstelle

Datum der Tour: September 2024
Die Höhenangaben stammen aus Wikipedia und Infomaterial der Region.

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Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
1 Kommentar
Das Schnalstal in Südtirol ist wirklich beeindruckend! Besonders faszinierend finde ich die Transhumanz, bei der jedes Jahr Tausende Schafe über den Alpenhauptkamm ziehen. Diese Tradition, die seit über 600 Jahren besteht, live mitzuerleben, muss ein unvergessliches Erlebnis sein. Auch die Verbindung zu Ötzi, der hier in den Bergen entdeckt wurde, macht die Region geschichtsträchtig und spannend. Dazu noch das atemberaubende Bergpanorama und die Möglichkeit, tolle Wanderungen zu unternehmen – das Schnalstal steht jetzt definitiv auf meiner Reise-Wunschliste!