Das Allgäu bestand bisher für mich – ein wenig beschämend ist meine Unwissenheit schon – aus Kühen, Neuschwanstein und Hügeln aus saftigen grünen Wiesen**. Weit gefehlt, wie ich seit meiner Bergtour auf den Hochvogel weiß. Der Feiertag im August bescherte uns Münchnern dieses Jahr ein langes Wochenende, das ich rund ums Prinz-Luitpold-Haus im Allgäu verbrachte, mit viel Regen, Schneefall und sonnigem Gipfelglück auf dem 2.593 m hohen Hochvogel.
Die Tour auf den Hochvogel ist ausgesetzt, mit einigen kleinen 1er Kletterstellen und damit kein Spaziergang – durch den Wintereinbruch am Tag vorher wurde sie richtig knackig, anstrengend aber absolut großartig! Das Wetter war einfach perfekt, die Sicht grandios, und das Erreichen (und wieder Absteigen) dieses Gipfels ein Highlight dieses Bergsommers.
Ausgangspunkt ist das Prinz-Luitpold-Haus auf 1.846m, gerade noch so erkennt man von der Terrasse den Gipfel. Exakt da, wo der Kondensstreifen endet:
Wir haben einen traumhaft schönen Tag für diese Bergtour erwischt, kaum zu glauben nach Schnee und Dauerregen am Tag vorher. Wir spazieren locker von der Hütte los, im kleinen See spiegeln sich die nahen Gipfel, der Bach sprudelt und gluckert. Der kurze versicherte Steig zur Balkenscharte stellt für einige Wanderer schon ein Problem dar, dabei sind die breiten Treppen und Metallstufen gut zu gehen, vor allem an diesem Sonntag ohne Schnee. Wem dies zu schwer ist, der wird nicht auf den Hochvogel gelangen…
Hinter der Scharte ( 2.172 m) geht es rechts am Fels entlang weiter, etwas ausgesetzt und kraxelig, ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Eine kleine Kletterstelle und man sollte eigentlich auf den Kalten Winkel und das dazugehörige Firnfeld blicken- von Schneefeldern ist aber nichts zu sehen, lediglich ein schmaler Pfad inmitten von Geröll.
Der Pfad verläuft zunächst fast eben, im Hang, ganz unproblematisch zu gehen, dreht in einer Haarnadelkurve ab, ist nun weiß gezuckert und wird dann höllisch steil – das dicke Tau hilft einem im Geröll hinaufzukommen und außer Atem die Kaltwinkelscharte zu erreichen.
Ab dieser Scharte wird nun auch mir deutlich, dass ich hier auf einer anspruchsvollen Tour unterwegs bin: auch wenn die Sonne noch so strahlt, wir haben hier die Folgen eines Wintereinbruchs vor uns liegen, Felsen gemischt mit Schnee und Eis. Aber das ist ja durchaus reizvoll, und es sind so viele Leute unterwegs, so unmöglich kann es also nicht sein.
Nur Minuten später eine krasse Stelle – zwar eine Kette zum Festhalten für die Hände, aber für die Füße nur eine spiegelglatte Eisfläche.
Im 2. Versuch, mit Mut und Überwindung, ist es aber schon geschafft, auch die Fels-Schnee-Kombination ist besser zu gehen als gedacht. Kaum Eis, stattdessen griffiger Schnee. An einer sehr ausgesetzten Stelle hockt eine Wanderin, die aufgegeben hat. „Zu kalt, zu schwer“, ihr Kommentar, der mich dann schon ins Zweifeln bringt, ob es was wird, mit mir und diesem mächtigen, imposanten Allgäu-Gipfel.
Die Aussicht ist der Wahnsinn und sie wird mit jedem Höhenmeter noch wahnsinniger. Das Wetter könnte strahlender nicht sein. Eine Stelle ist wahrlich knackig, hier muss geklettert werden und gefühlt geht es hinter mir senkrecht in die Tiefe. Eigentlich aber auch kein Problem, tief durchatmen und hoffen, dass es beim Abstieg nicht so schlimm werden wird. Um es vorweg zu nehmen – die knackige Stelle ist beim Rückweg völlig harmlos, es ist verrückt, was der Kopf mit einem macht manchmal…
Wie an einem Ameisenhaufen kraxeln die Wanderer im Zickzack den Hochvogel hinauf, es ist ein grandioses Gefühl nach vielleicht 2 1/2 Stunden das Gipfelkreuz und entspannt dasitzende Wanderer zu sehen. Ein letztes Haken schlagen, und dann ist es flach, wir sind oben auf 2.592m, und das Gesicht kann nicht aufhören zu grinsen.
Cracker und Würschtl und Schokoriegel, es kann kaum eine bessere Mahlzeit geben als diese Brotzeit auf dem Hochvogel an einem Tag wie diesem. Garniert mit Fernblick vom Feinsten auf Reihen von Bergketten, Gipfel, die alle noch bestiegen werden wollen. Die Grenze zwischen Tirol und Bayern verläuft auch am Hochvogel genau über den Gipfel, aber menschengezogene Grenzen lässt die Natur von hier nicht erkennen.
Beim Abstieg zur Kaltwinkelscharte ist viel vom Schnee und Eis wieder getaut oder hat sich zu Matsch gewandelt. Ein wenig rutschig manchmal durch die relativ vielen Wanderer, doch wir kommen flott voran. Denn ab der Scharte wartet noch ein weiteres Schmankerl, wir müssen nicht den gleichen Weg zurück sondern nehmen den leichten Klettersteig über die Kreuzspitze. Er ist luftig, aber gut ohne Klettersteigset zu gehen, ein wenig Konzentration ist nötig und schwindelfrei und bergerfahren sollte man dazu sein. Der Weg führt nicht zum Gipfel sondern um den Berg herum, etwa auf der Hälfte zu einem feinen Rastplatz mit Blick zurück zum Gipfel, an dem man sich am liebsten für ein paar Stunden niederlassen würde.
Das letzte Stück, bevor man zur Hütte zurück spaziert, ist noch einmal sehr steil. Die Füße finden aber stets gut Halt und man kann sich überall gut festhalten. Ein Weg ist von unten gar nicht mehr zu erkennen – nur über die Farbkleckse der nachfolgenden Wanderer.
Noch immer ist der Tag strahlend schön, als wir zum Prinz-Luitpold-Haus zurückkommen. Die Terrasse zögert den Moment noch etwas heraus, an dem man wieder ins Tal zurück muss – an Tagen wie diesen die schlechteste aller Richtungen.
*Alle Höhenangaben aus der Kompass Karte 24, Lechtaler Alpen/ Hornbachkette
**Wenn jetzt jemand mit dem Tannheimer Tal kommt, und dass das ja zum Allgäu gehört – dies ist laut Wikipedia umstritten…
Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
9 Kommentare
WOW, das klingt spannend. Vor allem auf dem einen Foto wo man ja wirklich nur durch die Menschen sieht woher der Weg verläuft. Sehr klasse
Danke Mel :-)
WOW! Ein toller Bericht – der Hochvogel steht bei mir auch noch auf dem Plan…allerdings erst nächstes Jahr!
Vielen Dank für Deine tollen Blogeinträge…immer wieder toll zu lesen!
Danke für das Lob Christian :-) Kannst dich gerne melden, wenn du Fragen zum Hochvogel hast, ein Artikel über das Prinz-Luitpold-Haus und Umgebung ist schon in Arbeit…
Danke für den Bericht. Der mach richtig Appetit und die Bilder Sehnsucht.
Ich glaube ich werde mir sowas wie eine „personal 7 Summits“ Liste machen und den Hochvogel mit aufnehmen – für nächstes Jahr. :-D
So Listen mache ich ja auch immer Alex: https://www.gipfel-glueck.de/14-ideen-fuer-2014/
Wieder mal nicht viel abgehakt dieses Jahr, aber ein paar Monate sinds noch ;-)
Sehr schöner Bericht, nur mit dem Grenzverlauf zwischen Tirol und Bayern, der über den Gipfel gehen soll, komme ich nicht ganz zurecht… ;)
Wichtiger Hinweis: Der Zustieg von Hinterhornbach über den Bäumenheimer Weg ist gesperrt wegen drohendem Felssturz wesentlicher Teile des Gipfelbereiches!
Beste Grüsse
André
Was heißt „kommst du nicht zurecht“ – kannst du da bitte konkreter werden?
Als ich die Tour gegangen bin, war der Bäumenheimer Weg noch offen, aber ich denke alle Bergsteiger werden (hoffentlich) die aktuellen Bedingungen prüfen, bevor sie losgehen.
[…] Stefanie von Gipfelglück.de: Gipfelbuch: Der Hochvogel […]
Kommentare sind geschlossen.