Das Wichtigste beim Wandern sind richtig gute Wanderschuhe! Essen und trinken, Sonnen- und Regenschutz, die richtige Begleitung, alles auch wichtig, aber ohne Schuhe keine gipfelglückliche Wanderung. Das gilt in besonderem Maße für eine extreme Wanderung wie die 24 Stunden von Bayern. Zum dritten Mal konnte ich 2014 daran teilnehmen, nach 2012 (im Chiemgau/Berchtesgadener Land) und 2013 (rund um Füssen) war in diesem Jahr die Region Ilztal/ Dreiburgenland im Bayrischen Wald der Ausrichter. Und meine Wanderschuhe spielten eine entscheidende, tragische Rolle.
Der Wetterbericht sah einen relativ trockenen Samstag vor und einen regnerischen Sonntag. Das Handynetz reicht nur selten zum Bilder posten und Twittern doch manch Wanderer nutze doch tatsächlich die wenig guten Momente um die nahende Regenfront auf der Wetter App zu beobachten!
Das Museumsdorf Bayerischer Wald war ein wunderbarer Start- und Zielort, Böllerschüsse und Blasmusik ist man vom Start ja schon gewöhnt, aber dieses Mal kam der offizielle Countdown tatsächlich von der Bayrischen Milchkönigin!
Beschwingt ging’s im Pulk auf die Strecke,
die Sonne strahlte, und die Landschaft erinnerte mich oft an die Rhön – keine schroffen Alpenwände sondern sanft geschwungene grüne Hügel, Wälder und dazwischen überall Dörfer und einzelne Häuser. Der Weg führt leider oft über Asphalt, was für die Füße so viel anstrengender ist als Gras oder Waldboden, aber man hat keine Wahl sondern folgt brav allen Schildern. 2.000 hingen davon übrigens auf der Strecke!
Bei den 24 Stunden von Bayern soll es nicht um viele Kilometer, schnelle Zeiten oder andere Wanderrekorde gehen. Viel mehr lernen die Teilnehmer an einem Tag viele Facetten der Gastgeber-Region kennen und treffen engagierte Leute, die hier leben und den Gästen stolz präsentieren, wie gerne sie hier leben. Auch dieses Jahr war wieder jeder einzelne Musiker des Dreiburgenlandes irgendwo im Einsatz, die Verpflegung war herausragend…
…und auch wenn sich Erlebnisse oder Anblicke beim dritten Mal wiederholen – es macht unheimlich Spaß, mit all diesen anderen Wahnsinnigen durch die Felder und Wälder zu ziehen.
Es begann also alles sehr vielversprechend, bis es auf diesem Hügel…
…plötzlich erstens Handynetz zum Twittern gab und zweitens mein rechter Wanderschuh begann sich aufzulösen!
Ein herber Schlag. Meindl Schuhe, vor 4 Jahren bei Globetrotter für die Alpenüberquerung gekauft, kaum Blasen oder andere Probleme gehabt, Berge, Hügel, Gipfel, Pässe, Bäche, Hütten, Flughäfen, alles gesehen, und jetzt, mitten im Bayrischen Wald sollte das Ende gekommen sein?
Aber alles jammern und grübeln hilft in so einer Situation nix, es gibt nur eins – weiterwandern!
Besonders schön dieses Jahr bei den 24 Stunden von Bayern: die Ausrichterregionen der letzten Jahre durften sich mit Ständen auf der Strecke beteiligen und in Erinnerung rufen. Die Hexen aus dem Frankenwald z.B. musizierten…
…und sorgten mit einem Schnäppschen für Schwung in den Beinen.
Und die Füssener aus dem letzten Jahr hatten nicht nur riesige Gläser an Süßigkeiten dabei…
…sondern grandioserweise auch doppelseitiges Klebeband! Nicht hübsch, aber die Sohle war geflickt und Dank der Allgäuer Retterin konnte es für mich weitergehen!
So eine gelbe Bandage ist natürlich auffällig und brachte mich mit gefühlt jedem zweiten Wanderer auf der Strecke in Kontakt – was ein weiterer Reiz der 24 Stunden von Bayern ist. Gesprächsthemen unter Wanderern finden sich immer genug, ein paar der Mitwanderer finden so hoffe ich auch mal den Weg ins Gipfelglück hier. Man trifft auch die gleich Leute immer wieder, selbst wenn man sich unterwegs aus den Augen verliert, bei der nächsten Pause stehen die Wanderfreunde schon da. So Hase und Igel mäßig. Eine Streckenanwohnerin hat mir übrigens tatsächlich ihre eigenen Wanderschuhe angeboten – nur hätte meinen Füßen eine Tour in Größe 37 halt auch nicht gefallen…
Das Ilztal hat mir auf der 39,4 Kilometer langen Tagstrecke am besten gefallen – dunkel und langsam dahin fließend, manchmal gurgelnd und plätschernd, wild bewachsen und mit kleinen Sandstränden! (Zur Landschaft und warum man im Ilztal und Dreiburgenland mal Wanderurlaub machen sollte, folgt nächste Woche ein separater Artikel! gibt es separat meine Reisetipps Ilztal und Dreiburgenland).
Der Weg am Fluss entlang ist nicht anspruchsvoll wie ein alpiner Steig, aber das Klebeband begann sich nach einer Weile auch aufzulösen, das doppelseitige ging eine unangenehme Symbiose mit dem desaströsen Schuh ein – und ich war froh, am Abend das Freilichtmuseum wieder zu erreichen.
Hier warteten nicht nur frische Socken auf mich, ein Abendessen und eine Steckdose fürs Telefon, vor allem hatte der Sponsor Hanwag hier eine kleine Werkstatt. Dort wickelte Retter Chris mir eine halbe Rolle silberglänzendes Tape um den Schuh (so fest, dass ich es danach kaum schaffte, die erwähnten frischen Socken anzuziehen…), unter den Augen eine Reporterin vom Bayrischen Rundfunk, deren leuchtende Augen ihre Freude daran verrieten, mit ihrer Kamera zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Prompt landeten der Wanderschuh und ich in der Abendschau vom Montag, 30.Juni 2014 (inzwischen leider nicht mehr verlinkt).
In die Nachtrunde startete ich um 20 Uhr, etwa 20 Minuten später erreichte uns die Regenfront, die der eine Mitwanderer mit seinem ominösen Handynetz schon Stunden vorher auf dem Telefon beobachtet hatte. Für kurze Zeit stürmte es, Staubkörner flogen in die Augen, vereinzelte Blitze und einschüchterndes Donnergrollen ließen zu Unzeiten schon das Wort „Shuttlebus“ über die Lippen kommen. Mitten im Wald fahren natürlich keine Busse, Regenjacke und Regenhose hatte ich den ganzen Tag schon schon umsonst mitgeschleppt, also kamen sie jetzt zum Einsatz. Nur um kurz nach dem Umziehen schon wieder überflüssig zu werden.
Wir hatten so etwas wie einen blaugrauen Sonnenuntergang…
… kamen an wilden Rittersleut auf der Burg vorbei, im Räuberlager wurde ein vorzüglicher Met gereicht, und bei den Kelten Stockbrot am Lagerfeuer.
Es folgten ein paar Kilometer ganz allein im Wald in höchster Konzentration, ja keinen Wegweiser zu verpassen, oder beim Twittern in tiefhängende Äste zu rennen (aufmerksame Mitwanderer warnen einen…). Die Tatsache, dass jemand hinter mir plötzlich das Radio andrehte und Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ auf voller Lautstärke hören musste, das macht mich bis jetzt noch sprachlos… Es war Neumond, viele Sterne blitzten am Himmel, und unzählige Glühwürmchen flogen herum!
Die „Verletzung“ meines Schuhs erregte auch in der Nacht die Sorge der Mitwanderer – hätte ich den „Verband“ um den Kopf getragen, man hätte sich nicht besorgter nach meinem Befinden erkundigen können! Und doch, auch eine Wadlmassage am Garten der Sinne half dem ganzen nicht…
… ich erreichte gegen 1 Uhr die Westernstadt Pullman City, vor der sich eine Shuttlebushaltestelle befand. Das Tape hatte sich am Asphalt aufgerieben, der linke Fuß hatte sich um Ausgleich bemüht und deshalb ein paar kleine Blasen entwickelt – und so stieg ich zunächst schweren Herzens in den Bus zurück zum Museumsdorf. Ende nach 17 Stunden. Und doch, welch Wohltat war es, nach 57 Kilometern erst in die Dusche, dann ins Bett zu klettern, und die Augen zu schließen. Auch das ist Gipfelglück.
4 Stunden Schlaf mussten reichen, beim Frühstück im Museumsdorf erschöpfte, fertige, und verrückterweise dennoch strahlende Gesichter überall. Auch meine Wanderfreunde Sonya und Torben hatten ihre Geschichten zu erzählen…
…wobei sie diese in Bild, Schrift, Ton undwasweißichnochalles auch selbst veröffentlichen werden. Die Kollegen von Wandersüchtig auch, aber die waren beim Frühstück weit und breit nicht zu sehen ;-) (Links folgen).
Was noch fehlt, ist das Finisher-Foto vor dem „Geschafft“-Plakat der 24 Stunden von Bayern. Tja, wer schon nach 17 Stunden mit dem Bus im Ziel eintrifft, für den gibt’s kein Finisher-Foto. Nur so eins:
Abschließend: Mehr Infos zur Region Ilztal und Dreiburgenland kommt in ein paar Tagen in einem separaten Artikel, mehr und jeweils andere Fotos findet ihr auf Instagram, Facebook und google+.
Die Bayern Tourismus Marketing GmbH hat mich zu den 24 Stunden von Bayern eingeladen, ganz herzlichen Dank dafür!
Im nächsten Jahr finden die 24 Stunden von Bayern 2015 im Norden von Bayern statt! Im Räuberland Spessart (also unter uns gesagt – fast in Hessen!) Ja, und bis dahin sind die Schuhe repariert und dann gehts wieder von vorne los. Dann klappts auch mit vollen 24 Stunden und einer Fitnessrunde. Und ordentlichem Finisherfoto.
Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
20 Kommentare
Hi Stefanie, hat wahrscheinlich jeder schon mal erlebt. Problem ist wohl, dass die Kleber schneller spröde werden als der restliche Schuh, deshalb sieht man es von außen oft nicht. Sofern der Schuh ansonsten noch in Ordnung ist, kann man sich angeblich bei Herstellern wie Lowa und Meindl wieder ordentlich neue Sohlen drankleben lassen, sagt das Sportgeschäft meines Vertrauens. Bei mir steht noch ein Paar Lowa rum – ganz in Ordnung, aber ohne Sohle -, das auf eine entsprechende Behandlung wartet. Ansonsten, wie immer, ein schöner Beitrag. Grüße Markus
Ja, normale Sache, aber ich denke insgesamt zu früh für das Alter der Schuhe, und normalerweise hat nach nicht noch 18 Stunden Wanderung geplant ;-) Aber kein Welteruntergang…Viele Grüße!
Hallo Stefanie,
habe deine Wanderung schon auf Instagram verfolgt und jetzt noch mal hier nachgelesen. Davon habe ich zuvor noch nie was gehört. Danke dir für die Infos-vorgemerkt für nächstes Jahr!
Grüße
Maria
Dann drücke ich dir schon mal die Daumen, dass es mit der Teilnahme klappt! Freut mich, dass dich die „Berichterstattung“ inspiriert hat.
Hallo Stefanie,
schöner Bericht, leider für dich mit es bitterem Nachgeschmack. Tut mir elid für dich.
Deinen Schuh würde ich als eine Art roter Faden(running gag) immer wieder nutzen. Alles Schlechte hat auch was Gutes.
Freue mich schon auf deine anderen Posts.
Beste Bayerwald-Grüsse
Wolfgang
Nein, bitterer Nachgeschmack würde ich es gar nicht nennen. Ein wenig enttäuscht beim Einsteigen in den Bus, das ja, aber es ist kein Weltuntergang und die Stunden vorher waren wirklich toll!
Viele Grüße an den Bayerwald-Experten :)
Liebe Stefanie,
ein schön geschriebener Bericht. Das Problem mit den Schuhen habe ich bei Bekannten auch schon erlebt. Ist wohl gar nicht so selten. Deshalb immer Ersatzschuhe im Rucksack mitnehmen. ;-)
Eine Sache liegt mir noch am Herzen: Am Anfang schreibst du, dass die Wegführung leider viel über Asphalt ging. Habe ich auch bedauert, zumal ich aus Erfahrung weiß, dass das nicht nötig gewesen wäre und man die wilde Ilz an der Dießensteiner Leite trotzdem hätte reinpacken können.
Es gibt wirklich viele wunderbare naturnahe Wanderwege und -pfade im Ilztal. Auf meinem Wanderblog habe ich einige davon beschrieben.
Liebe Grüße aus dem Bayerischen Wald
Sonja
Wenn man Ersatzschuhe im Rucksack mitschleppt, braucht man sie garantiert nicht ;-) Aber im Start/Zielbereich welche deponieren, das macht schon Sinn.
Der Asphalt rührt sicher auch daher, dass so viele Gemeinden wie möglich in die Route integriert werden sollten, die Routenfindung ist bestimmt nicht einfach bei so was. Bei einer „normalen“ Tour hat man es ja selbst besser unter Kontrolle.
Viele Grüße an die Expertin :-)
Oh Steffi, du hast dich tapfer geschlagen! Ich kann so gut nachvollziehen, wie schweren Herzens du den Shuttle-Bus bestiegen hast! Aber alles andere wäre auch sinnlos gewesen. Richtige Entscheidung also :-)
Danke für diesen schönen Bericht – auf dass du Helene Fischer nie wieder nachts im Wald begegnest! :-D
Liebe Grüße,
Corinna
Ein atemloses Danke liebe Corinna ;-)
Hallo Steffi,
leider haben wir uns zum Schluss nicht mehr gesehen. Mach Dir nichts wegen des fehlenden Zieleinlaufes. Umso mehr freust Du Dich auf den Spessart und, vielleicht sieht man sich wieder. Ist bestimmt eine sehr interessante Region aber die Räuber da… :-) :-)
Liebe wanderreiche Grüße…Christian
Na weil ich am Schlus schon im Bett lag und von steilen Pfaden in den Alpen geträumt habe :) Hat mich gefreut dich kennen zu lernen!
dito :-)
Hallo Steffi,
*grins* also hat es sich doch gelohnt die Auflösung der Sohle ;). Das war gleich die Sensation für die 24h Wanderung. Okay für Meindl eher nicht so ;).
So eine 24h Wanderung ist schon eine lustige Sache. Seine Grenzen zu erfahren, wenn man am Stück so lange unterwegs ist. Und ich finde es toll, was alles am „Wegesrand“ für die Wanderer von den Bewohnern aus der Region geboten wird.
Sonnige Grüße an dich
Conny
Sagen wir so – eine witzige Geschichte kann man aus so was machen. Letztendlich stehe ich aber im Juli, also zur Haupt-Wandersaison mit unbrauchbaren Wanderschuhe da. Nicht mehr witzig…
Probier es doch mal hier, ist das Gegenteil von Globetrotter (obwohl ohne Kanus fast so viel Angebot auf 1% der Fläche ;-). Der gab mir den Tipp mit Sohlen kleben lassen und dort habe ich meine Meindl gekauft, vielleicht kannst du dich auf die berufen ;-) http://www.sport-eibl.de/
Soweit ich von einem Bekannten weiß, hat der seine uralten Meindl-Schuhe mal eingeschickt und Meindl hat die neu besohlt. Und der Outdoor-Laden meines Vertrauens sagt dasselbe.
Sonja, ich habe dich hier mal als Expertin erwähnt:
https://www.gipfel-glueck.de/reisetipps-ilztal-und-dreiburgenland/
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[…] eine Wanderung bei den 24 Stunden von Bayern ist so was wie ein Schnelldurchlauf durch ein Wandergebiet. Ein bisschen hier wandern, ein bisschen […]