Mit Nepal hat es etwas Besonderes auf sich. Wenn man einmal dort war zum Trekking oder Bergsteigen, lässt einen dieses Land nicht wieder los.
Man möchte wieder hinreisen, noch mal die Achttausender sehen, man hängt sich Gebetsfähnchen in den Garten, freut sich über Gebetsfähnchen an Alpengipfeln und Hütten, verfolgt Reiseberichte, und man will etwas gegen die unfassbare Armut tun, insbesondere den Nepali helfen, die man kennen gelernt hat, also Träger, Guides, Köche, Lodgebesitzer usw. Außerordentlich viele Leute sind so begeistert vom Land, seinen Bergen und Menschen, dass sie das Bedürfnis haben, etwas zurück zu geben.
Ich spreche da von mir selber, habe das Phänomen auch bei anderen Nepal-Reisenden festgestellt. Im Pitztal in Tirol hat man den Eindruck, sie würden eigentlich gern ganz in Nepal eingemeindet werden. So groß scheinen Interesse, Verbundenheit und Engagement.
Unter dem Titel “Vom Dach der Welt zum Dach Tirols” fand im August eine Presseveranstaltung im Pitztal statt, wo mit besonderen Menschen an einem besonderen Ort diese Unterstützung und die Gemeinsamkeiten von Pitztal und Nepal vorgestellt werden sollten.
Der Ort war eigentlich – die Wildspitze. Mit 3.768 m der höchste Berg, der komplett in Tirol liegt (den Großglockner muss man sich ja mit Kärnten teilen). Es war alles toll geplant, ich freute mich riesig auf die nächste Hochtour, auf den nächsten Gletscher, die Jungs der Bergführervereinigung Pitztal hatten uns am Seil – und dann war das Wetter in den Ötztaler Alpen einfach nur furchtbar. Wir waren unterwegs auf dem Taschachferner, hörten in dichtem Nebel krasses Poltern von Steinschlägen, wanderten in strömendem Regen zwischen Gletscherspalten herum und freuten uns einfach nur darauf, im Taschachhaus endlich warme, trockene Sachen anziehen zu können.
Nunja, es waren so viele Fotografen, Blogger, Filmkameras und Mikrofone dabei, es war besser ein professionelles Dauergrinsen aufzusetzen und die “Was mache ich hier eigentlich?”-Gedanken unausgesprochen zu lassen…
Mehr als Rettung aus dem Dauerregen bot uns das Taschachhaus auf 2.434 m: es kam nepalesisches Essen, Dhal Bat, auf den Tisch, gekocht von Kale, einem Nepalesen, der schon zum 4. Mal den Sommer auf dem Taschachhaus verbringt, um Geld zu verdienen und um Fremdsprachen, westliche Lebensweise und vor allem Hüttenbewirtschaftung zu lernen. Unterstützt von den Hüttenwirten Barbara und Christoph Eder, die große Nepal-Fans sind und das ganz oben angesprochene Verhalten zeigen.
Kale ist nicht der einzige Nepalese auf einer Tiroler Hütte. Mit irrsinnigen bürokratischen und diplomatischen Anstrengungen schafft es die NepalHilfe Tirol jedes Jahr, 25 bis 30 Nepali auf Tiroler Hütten zum Arbeiten zu vermitteln. Im Tiroler Sommer ist Monsun-Zeit in Nepal, keine Touristen vor Ort und damit keine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Großen Anteil am “Sherpaprojekt” hat ein weiterer dieser besonderen Menschen, von denen ich oben sprach: Wolfgang Nairz war 1978 der erste Österreicher auf dem Everest und ist entsprechend Held und Legende in Österreich. Und auch vom Nepal-Virus infiziert, häufig auf Reisen dort, ist seit dem Erdbeben Tourismus-Botschafter für Nepal und mit großem Engagement in Österreich tätig um Nepal zu helfen.
Tourismus Botschafter für das Pitztal ist ein weiteres bekanntes Gesicht, der Ski-Olympiasieger von 2006 Benni Raich. Durch seine Erfolge und sympathische Art hören ihm die Leute gerne zu, wenn er für alpinen Wanderurlaub im Pitztal wirbt. Oder für Unterstützung für Nepal… Parallelen? Natürlich! Das Taschachhaus wurde 1873 gebaut, als Stützpunkt für Expeditionen ins hintere Pitztal. Gebaut werden konnte nur mit Hilfe von Trägern – ob die aber auch Lasten von 60 Kilo schleppen konnten wie die Sherpas in Nepal, das ist fraglich.
Und dass auch ein berühmter Opa hilfreich sein kann, zeigt sich an Tashi Tenzing Sherpa, der für unseren Wildspitzen-Versuch (und andere Termine) aus Nepal ins Pitztal gekommen war. Er ist der Enkel von Tenzing Norgay Sherpa, dem 1953 mit Sir Ed Hillary die Erstbesteigung des Everest gelang. Auch er ist Tourismus Botschafter für sein Land und ihm liegt vor allem das Thema Bildung am Herzen. Schulen und Lehrer, das ist was Nepal seiner Meinung nach am meisten braucht. Nur über bessere Bildung bei den Kindern und Jugendlichen wird Nepal einen Weg aus der großen Armut finden. Und der Name des Opas öffnet dem Enkel viele Türen, nicht nur im Pitztal, wo er unermüdlich sein Anliegen vorbringt und für Unterstützung wirbt.
Die einfachste und beste Art, etwas für Nepal zu tun, ist übrigens: hinfahren! Nach dem Erdbeben 2015 sind die Besucherzahlen extrem gesunken, dabei sind die Menschen so auf Touristen angewiesen um Geld zu verdienen und die Kinder in die Schule schicken zu können. Laut Tashi und Nairz ist noch immer die Zerstörung durch das Erdbeben sichtbar, aber fast überall ist Trekkingurlaub wieder ohne Probleme möglich.
Insbesondere die Menschen in den Bergen Nepals sind arm. Sie sind Mitglied niedriger Kasten, werden diskriminiert, bekommen weder Schul- noch Berufsausbildung, und werden so auch immer in Armut bleiben. Wenn nicht Hilfe aus Stiftungen und von Hilfsorganisationen kommt. Die Alternative bei fehlendem Tourismus ist oft, dass Mädchen als Prostituierte verkauft werden, Männer arbeiten unter sklavenartigen Bedingungen auf Baustellen in Golfstaaten wie Katar. Was den Menschen wichtig ist: sie wollen durch ihre Arbeit Geld verdienen und nicht von Almosen leben, und deshalb brauchen sie Touristen. Deswegen ist es wie ein Lottogewinn für junge Nepali, wenn sie einen Job auf einer Tiroler Hütte bekommen. Wo sie dann erst einmal lernen, wie man sich die Hände wäscht, dass man Kartoffeln nicht auf dem Küchenboden sitzend schält, und dass Elektrogeräte besser nicht ins Spülwasser kommen.
Laut Wolfgang Nairz erkennt man sehr schnell eine Lodge in Nepal, deren Besitzer in Tirol gelernt hat – vor allem an höheren Standards in Sachen Hygiene, Sauberkeit und Müllentsorgung. Und nicht selten daran, dass Kaiserschmarrn auf der Speisekarte steht.
Liebe geht halt durch den Magen, im Pitztal wie in Nepal. Ob der Monsun draußen tobt oder der Pitztaler Gletscherregen, ob Lodge oder Berghütte, an eine Ernährung aus Dhal Bat und Kaiserschmarrn könnte ich mich schon gewöhnen. Und hoffe deswegen auf eine erfolgreiche, künftig einfachere Fortführung des Tiroler Sherpaprojekts.
Ein paar Infos:
Wer Geld spenden möchte für Nepal: in diesem Artikel habe ich 2015 nach dem Erdbeben einige Organisationen und Personen genannt, die Unterstützung gebrauchen können.
Bis Mitte Oktober kann man die Tour auf die Wildspitze bei der Pitztaler Bergführervereinigung buchen, immer freitags wird der Gipfel angepeilt. Paket mit 2 Übernachtungen und Bergführer ab 160 Euro pro Person. Mit hoffentlich besserem Wetter als bei uns…
26 Nepali arbeiten noch bis Anfang/ Mitte Oktober auf Tiroler Berghütten. Zum Beispiel im Solsteinhaus, auf der Anhalter Hütte, im Gepatschhaus und auf der Adlersruhe. Wer Interesse hat, ich habe die komplette Liste vorliegen.
Datum der Tour: 9. August 2016
Weiterlesen:
Gipfelglück Berichte zum Pitztal
Mehr Gipfelglück Artikel zum Thema Hochtouren
Über das Essen in Nepal
Trekking in Nepal (Übersichtsseite)
Mehr über das Pitztal www.pitztal.com und www.pitz-alpine.at
im Web: Taschachhaus
im Web: NepalHilfe Tirol
im Web: Bergführervereinigung Pitztal
im Web: die Nepal-Pitztal-Connection bei Airfreshing
im Web: die Nepal-Pitztal-Connection bei Gipfelfieber
Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
2 Kommentare
Schade, dass es mit der Wildspitze nicht geklappt hat. Aber Du hast so viele neue Bekanntschaften geschlossen und neue Informationen mitgenommen – das ist am Ende vielleicht mehr Wert als ein Gipfel. Die Wildspitze läuft ja nicht weg.
Genau, nächstes Jahr gibts einen neuen Versuch.