Wenn Claudia, mein heutiger Interview-Gast, in ihrem Element ist, wandert sie Berge nur hoch. Und fliegt dann runter!
Mit einem Gleitschirm!
Wann immer ich so Flieger sehe, und wann immer Claudia davon erzählt und irgendwo Bilder postet, denke ich mir, dass ich das auch mal ausprobieren muss, vielleicht ja nächsten Sommer. Das mit dem Landebier klingt doch gut :-)
Aber jetzt lest erst mal selber:
1) Stell dich bitte kurz den Gipfelglück Lesern vor, damit jeder weiß, mit wem ich heute virtuell wandern gehe.
Hallo, ich bin Claudia! Unter der Woche bin ich als Social Media Analyst & Consultant bei ForschungsWeb in Nürnberg tätig bzw. in Gedanken bei meiner Doktorarbeit am Lehrstuhl Tourismus an der Universität in Eichstätt. Doch sobald das Wochenende naht, schweifen meine Gedanken ab – hin zu den möglichen fliegbaren Gebieten im Alpenraum bzw. im Altmühltal. Genau, ich bin leidenschaftliche Gleitschirmfliegerin. Seit 2007 gehe ich nun gemeinsam mit meinem Rookie (=Gleitschirm) in Europa auf Gleitschirmreisen und treffe an vielen Plätzen auf bekannte Gesichter, denn die Gleitschirm-Szene ist (noch immer) recht klein.
2) Wie bist du auf die Idee mit dem Paragliden gekommen und wie lernt man das?
Die Idee zum Paragliden verdanke ich meinem Bruder. Dieser wusste von meiner Leidenschaft zum Fliegen. Nach einem Skydiving-Sprung in New Jersey (USA) war ich fasziniert von der Fliegerei. Gemeinsam haben mein Bruder und ich dann im Sommer 2007 die Ausbildung im Allgäu absolviert – ein Idealgebiet für Gleitschirmschüler.
3) Auf welche Tour nimmst du mich heute mit?
Eigentlich gibt es keine „Lieblings-Bergtour“! Denn jedes Fluggebiet hat seinen eigenen Charme. Meine heutige Tour führt uns an meinen Hausberg – den Tegelberg bei Füssen am Forggensee im Allgäu. In dieser wunderschönen Gäu-Landschaft kann von einem idealtypischen Fluggebiet gesprochen werden: Flachland trifft auf Bergwelt. Das heißt der bayerische Wind strömt den Berg ideal an, so dass lange Flüge wahrscheinlicher sind als im hochalpinen Gebirge.
Doch bevor es los geht, heißt es Wetter- & Windcheck. Fast täglich schaue ich in meine verschiedenen Wetter-Apps und überprüfe die Wetterentwicklungen der nächsten Tage. Das Schöne am Allgäu ist, dass man binnen kürzester Zeit an anderen Flugbergen ist, die Startplätze zur vorherrschenden Windrichtung bereithalten. Ist der Wind als einigermaßen passend angesagt, heißt es Sachen packen und los in Richtung Süden.
Angekommen an der Liftstation, wird zunächst die Windsituation vor Ort beäugt und eine aktive Entscheidung Pro oder Contra Fliegen getroffen. Häufig berichten auch Piloten von den Bedingungen „da oben“. Ist die aktive Entscheidung fürs Fliegen gefallen, kann es auch direkt losgehen: warm anziehen, Handschuhe & Helm nicht vergessen, ins Gurtzeug steigen, Schirm auslegen, Leinencheck, Start und ab in die Luft!
So ein Flug kann unterschiedlich lange dauern. Zwischen einem 5-minütigen Abgleiter und einem kompletten 8-bis-9-stündigen Thermikflug kann alles drin sein. Wichtig ist, die eigenen Leistungen richtig einzuschätzen, sprich es nicht zu über- und untertreiben mit der Fliegerei. In erster Linie gilt: Mein Hobby soll Spaß machen – und dazu zählt das Abschätzen der eigenen Fähigkeiten inkl. der Länge des Fluges!
Ein Gefühl von Freiheit. Alles um einen herum gerät in Vergessenheit und der Stress entfällt. Beim Fliegen vollkommen entspannen, heißt aktiv zu sein. Aktiv fliegen, in der Thermik aufdrehen – auch mit Vögeln in einem Kreis zu fliegen, kann schon mal vorkommen – und den Blick nach unten nicht vergessen. Näher an der Natur kann man kaum sein!
Mit einer schönen Landeeinteilung und einer sanften Rasenberührung endet dann auch ein (hoffentlich) schöner Flug! Denn was folgt ist der Austausch über die Flugerlebnisse danach mit Freunden oder FliegerkollegInnen. Auch oder gerade wegen des Landebiers macht das Fliegen den Kopf frei vom Alltagsstress :-)
4) Kann man überall fliegen, was sind die schönsten Flugreviere?
Theoretisch kann überall geflogen werden (vor allem Streckenpiloten/B-Schein-Piloten mit dem Ansporn, sehr weit zu fliegen). Vom leitenden Verband DHV e.V. sind jedoch ausgeschriebene Start- und Landeplätze dafür vorgesehen.
Von (m)einem schönsten Fluggebiet kann nicht die Rede sein, denn wie gesagt hat jedes Fluggebiet seinen eigenen Charme. Ob in Algodonales in Andalusien (Spanien), dem Lijak in Slowenien (in denen ich schon geflogen bin) oder eben in meiner jetzigen Wahlheimat, dem Altmühltal – Jedes dieser HotSpot-Fluggebiete sollte man als aktive/r Gleitschirmflieger/in mal beflogen haben. Am liebsten bin ich neben den Flugbergen im Allgäu – Tegelberg, Buchenberg, Breitenberg – in Südtirol und in Bassano del Grappa (Venetien, Italien) unterwegs. Manchmal sind es aber auch nicht die befliegbaren Berge, die mich in eine Region ziehen, sondern die Landschaft oder auch einfach mal ein richtig gutes authentisches Restaurant (Bsp. L’Antica Abbazia in Borso del Grappa).
5) Zeit für eine Pause, wie verbringen wir diese?
Die Pausen beim Fliegen gibt es eigentlich nur direkt am Berg. D.h. passt der Wind nicht, heißt es Parawaiting – Warten bis der Wind bzw. das Wetter passt, sprich Luftbewegungen von vorne kommen. Dann wird auch mal die Hütte für ein vorzeitiges „Landebier“ genutzt oder die Wiese zum Entspannen mit entsprechenden Ausblicken genutzt.
Pause bedeutet für mich auch an einigen Tagen, den Berg nicht mit dem Lift zu besteigen, sondern meinen Gleitschirm per Lift auf den Berg zu transportieren und den Gipfel zu Fuß zu erklimmen. Das Schöne daran: Das Fliegen danach ist noch schöner!
6) Wenn Zeit und Geld keine Rolle spielt, wo möchtest du gerne mal wandern und fliegen?
Die Liste ist lang ;) Auf dieser „To-Do-Liste“ stehen noch so einige Fluggebiete:
- Hawaii mit seinen mehrfachen Klimazonen, die es zu „durchfliegen“ gibt
- Lionshead in Kapstadt (Südafrika)
- Dünenfliegen in Namibia mit kurzer Hose
- Babadag (Ölüdeniz/Türkei) – Abgleiter mit reinen 1500m Höhenunterschied
- Flugreise durch Japan
- Hornheia (Lofoten) – wenn es denn Mitternachtssonne hat!
- St. Leu (La Reunion)
- Vulkanfliegen in Bali (Indonesien)
- Socotra – The Forgotten Island (Insel vor Somalia)
Noch ein Satz zum Schluss: Gleitschirmfliegen ist für jede/n gemacht und ich würde mich riesig freuen, wenn der weibliche Anteil an Gleitschirmpiloten wachsen würde. In diesem Sinne, allzeit gute Flüge!
Vielen Dank fürs Beantworten der Fragen und fürs Lust machen. Allzeit gute Flüge auch dir!
Alle Virtuell-Wandern-Interviews:
Folge 16 mit Sabrina und Christian "skiwandern"Folge 14 mit Tamina Kallert und ihrem WDR-Fernsehteam über die Alpen
Folge 13 mit Michaela und Johannes auf die höchsten Gipfel aller europäischen Länder
Folge 12 mit Wibke in der Eifel
Folge 11 minimalistisch unterwegs mit Christof
Folge 10 mit Claudia auf dem Jakobsweg
Folge 9 mit Alix auf nahe und ferne Berge
Folge 8 mit Claudia durch die Lüfte
Folge 7 mit Robert in Südtirol
Folge 6 mit Bettina in Kroatien
Folge 5 mit Zwerg am Berg in Südtirol
Folge 4 mit Hendrik in Finnland
Folge 3 mit den Luftschubsern in den Chiemgauer Alpen
Folge 2 mit Jens auf den Halden rund um Dortmund
Folge 1 mit Rebecca zur Aiplspitz
Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
6 Kommentare
Huhu Claudia, ein super-tolles Interview und ich kann das sooo nachempfinden! :) Freue mich auch schon wieder auf Pizza in der Abbazia – sehen wir uns zwischen Weihnachten und Neujahr dort? Würde gerne mal mit Dir zusammen fliegen! :)
Wie schön, dass du auch mal hier samt Kommentar gelandet bist, freut mich sehr :-)
Bei diesem Thema kann ich die Füße doch nicht still halten! :-D
Ich kann mich noch gut an meine aktive Zeit (von 2003-2006) erinnern. Es gab damals kein schöneres Gefühl als in 2.500m Höhe ruhig dahinzugleiten. Stressbewältigung pur. Mangels Zeit habe ich im Hinblick auf mein Sicherheitsbewusstsein aufgehört und heute ersetzt durch eine ähnlich ruhige Gipfelbesteigung eines 4.000er.
Danke Claudia für den schönen Bericht. Hat für einen Rückblick gesorgt. :-)
Das ist schön zu hören!
Hab dann doch ein bisschen gestaunt, als ich das hörte – und jetzt nach dem Interview (Danke Stefanie), spannend. Guten Flug weiterhin und immer eine Handbreit Wind unter dem Schirm, oder wie man halt sagt…