Bergtouren-These: Das Ötztal in Tirol ist „hinten“ interessant, wo die Gletscher sind, die hohen Berge, die Einsamkeit, eine Welt weg von der Straße, weg vom Alltag, mit Touren, die schon lange „auf der Österreich Liste“ stehen. Den Rest vom Ötztal kennt man vom Durchfahren, steile Wände rechts und links der Straße, ein paar Dörfer.
Gipfelglück-These: Das ist tatsächlich ein Fall von falsch gedacht. Es lohnt sich, „in der Mitte“ des Ötztals anzuhalten. Links in die Stubaier Alpen aufzubrechen, z.B. zur Winnebachseehütte, rechts in die Ötztaler Alpen, zur 4-Seen-Wanderung von Längenfeld aus. Genau darum geht es heute, die 4-Seen-Wanderung anlässlich des jährlich stattfindenden 4-Seen-Marsches im Ötztal in Österreich.
Eine Kraft und Ausdauer fordernde alpine Wanderung von rund 1600 Hm, bis auf 2.680m, über 14km Länge, ohne Gipfel. Dafür mit 4 wunderschönen Bergseen, in einer klaren, weiten, unverbauten Landschaft, begleitet von Wasser und mächtigen Ausblicken, die dich immer weiter marschieren lassen, immer neue Kraft geben, ganz ohne die Wanderer-Massen anderer Wander-Events.
Werbe-Hinweis: Ich war im Ötztal auf Einladung von Ötztal Tourismus unterwegs.
Die Ruhe und Einsamkeit in diesem Teil der Ötztaler Berge und Bergseen wird ein Mal im Jahr ein wenig gestört: beim 4-Seen-Marsch geht es (für manche TeilnehmerInnen) auf Zeit, es gibt Labestationen mit Skiwasser, Äpfeln und Müsliriegeln sowie Stempelstationen – nur wer 3 Stempel gesammelt hat und rechtzeitig wieder im Ziel in Längenfeld ankommt, bekommt die Marsch-Medaille. Vom Start, den Stationen und dem Ziel abgesehen ist die Tour übrigens nicht so unterschiedlich zu “normalen” Tagen. Die TeilnehmerInnen 2017 gehen (oder rennen) alle ihr eigenes Tempo, relativ schnell entzerrt sich das Feld und man kann trotz “Event” und “Gruppenwandern” (wir starten zu 10.) die grandiose Natur des Ötztals genießen- weite Wiesenflächen, Bäche, eine kantige Felskulisse im Hintergrund und vor allem die vier Seen.
Das anstrengendste Stück Weg erwischt einen gleich am Anfang, um 6 Uhr in der Früh. Start ist in Lehn, einem Ortsteil von Längenfeld, auf 1.160m. Es ist noch dunkel, auf steilem schmalem Pfad geht es flott hinauf, alle lassen sich von den ganz schnellen Läufern mitziehen. Die Schnellsten des Marsches sind immer Einheimische, die den Weg in- und auswendig kennen, nicht stehen bleiben zum Fotos machen oder Seen ansehen.
Es ist noch immer dämmerig, als wir nach etwas mehr als 1 Stunde den 1. Kontrollpunkt bei der Stabele Alm (1.908m) erreichen, den ersten Stempel bekommen und die erste Ration aus Apfel, Balisto und Skiwasser. Manche nehmen auch bereits den ersten Schnapps… Zum Glück geht es dann bald aus dem Wald heraus, einen weiteren steilen Hügel hinauf und endlich in die Sonne!
Der Blick geht nun hinunter nach Längenfeld – ups, ganz schön steil! Ganz schön viel geschafft in kurzer Zeit. Gegenüber sieht man auf die Taleinfahrt nach Gries, dort geht es hinein zur Winnebachseehütte, umrahmt von zackigen Dreitausendern, von Neuschnee überzuckert.
Nach dem Hügel kommt endlich der 1. See in Sicht, der Plattachsee auf 2.520m. Zeit für Fotos, Zeit für ein paar Schlucke Wasser, die Gesichter in die Sonne halten. Zur Vorbereitung auf das nächste knackige Stück Weg, das man vom See aus schon gut erkennt:
Was folgt ab dem Plattachsee ist eine lange “diretissima” zur Felder Scharte, mit 2.680m der höchste Punkt unserer Tour. Mal weiche Bergwiese, mal unbequeme Felsböcke, über Stock und Stein schlängelt sich die Reihe der 4-Seen-Marschierer zur Scharte hinauf. Dort ist alles etwas eng, steil geht es auf der anderen Seite hinunter. Trotzdem nimmt sich jeder Zeit für den Stempel. Für Balisto, Apfel, Skiwasser (und Schnapps).
Ausgesetzt auf einem schmalen Steig startet der Abstieg zum Weißer See (2.546m). Nach der Pause an der Scharte mag man eigentlich nicht schon wieder stoppen, aber natürlich muss man Fotos machen, wegen der Seen sind wir schließlich da.
Anschließend geht es in eine Art Kessel hinunter, dorthin, wo alle Bäche hinfließen, wo die Schäfchen grasen. Es gibt einige Bäche zu queren, dazu unendlich viele Serpentinen in Bergwiesen, und nach einiger Zeit gelangt man auf eine Art Höhenweg, der relativ eben den Hang entlang läuft.
Das ganze Stück mit herrlicher Aussicht, nur den nächsten See, den sieht man nirgends. Auch der Pfad ist nur zu erkennen durch die vor einem gehenden Wanderer, eine rauhe, den Kopf beruhigende Landschaft aus Grün, Grau und Blau.
Dann wird es noch einmal steiler für ein kurzes Stück und man gelangt zum winzigen, grün schillernden Unteren Spitzigsee (2.400m). Vielleicht der schönste der vier Seen, hat er doch eine Mini Hütte am Ufer, mit einer Mini Veranda, auf der man gerne ein paar Stunden verbringen würde, hätte man nicht noch einen 4. See zu besuchen und noch einen Stempel abzuholen.
Auf dem Weg zum Hauersee (2.383m) sitzen wieder einmal ein paar Wegewarte des 4-Seen-Marsches – sie sorgen dafür, dass man wirklich noch zum Hauersee rüber geht und nicht gleich ins Tal absteigt. Noch einmal geht man fast eben, einen Pfad entlang auf eine mächtige Wand zu. Rechts blöken Schafe einen Gruß, es gibt eine Art Gipfelkreuz und man ist regelrecht geflasht, als der See ins Blickfeld kommt: leuchtend türkis ist das Wasser des Hauersees, ganz und gar unwirklich.
An seinem Ufer sitzend kommen auch die Kräfte wieder zurück, die schon am Schwinden waren auf dem Weg hierher. Wieder gibt es eine Ration Stempel, Balisto und Apfelstücke, dazu ein paar Becher Skiwasser – und jetzt lasse sogar ich mich zu einem Schnapps überreden. Der Helfer der Bergrettung Längenfeld will mir sonst keinen Stempel geben, und er trinkt schließlich mit allen Teilnehmern einen Schnapps, da kann ich mich nicht mehr entziehen.
Unsere Gruppe hatte sich auf dem Weg zwischen Weißer See und Hauersee etwas entzerrt, jeder hat halt doch ein eigenes Tempo und nicht immer ist es leicht, sich den anderen anzupassen. Am Hauersee (auf 2.383m) finden die mittelschnellen wieder zusammen – die flotten sind längst im Tal, ein paar lassen sich lieber mehr Zeit. Wir steigen ab Richtung Tal, gehen durch leuchtend bunte Wiesen und treffen nun auch zum ersten Mal auf Wanderer, die nichts mit der Veranstaltung zu tun haben, die einfach nur zum Hauersee wollen.
Die Beine werden langsam schwer, auch wenn es nur noch bergab geht. Sehnsüchtige Blicke Richtung Terrasse der Innerbergalm (1.965m), doch wir gehen vorbei, irgendwann mag man ja auch mal im Ziel sein. Das letzte Stück wird noch einmal interessant, zwar waren wir hier schon mal, aber das ist Stunden her und da war es dunkel. Eine gute Seele hat die allerletzten Schilder noch etwas motivierender gestaltet und einen “Ziel” Hinweis dazu geschrieben.
Ein gutes Gefühl, wieder im Tal zu sein. Nach 14 Kilometern und weit über 1.500 Höhenmetern. Schwierig war die Tour eigentlich nirgends, aber es ist schon eine ordentliche Runde. Mir persönlich sind Zeiten nicht wichtig, mir sind meist die vielen Menschen bei Wander-Events zu viel, ich gehe lieber mein eigenes Tempo, brauche weder Medaillen noch Pokale. Ich bin schon zufrieden, wenn ein Bierglas vor mir steht, und mit jedem Schluck die Erschöpfung weniger wird, die Füße weniger brennen, die Schultern wieder lockerer und entspannter sind. Ab und zu nehmen ich dann aber auch gerne die Medaille in Empfang. Geschafft ist geschafft.
4-Seen-Weg: Infos zur Bergtour
Beschildert ist die Runde immer, auch ohne Event. Dann natürlich ohne Verpflegungsstationen, aufgrund der Länge der Strecke sollte man ordentlich Proviant und Wasser mitnehmen – einkehren kann man nur an der Innerbergalm. Für einen Teil des Weges kann man bequem das Hüttentaxi benutzen. Das Gelände ist hochalpin, der Weg geht bis auf 2.680m hinauf. Zwar ist es nirgends technisch schwierig, aber die Strecke ist lang, eine gewisse Bergerfahrung sollte man also haben. Und das Wetter sollte gut sein, die Ausrüstung den Verhältnissen angepasst. Immer der Beschilderung 4-Seen-Weg folgen.
4-Seen-Marsch: Infos zur Veranstaltung
Veranstalter des 4-Seen-Marsches ist der Ötztal Tourismus, der mich auch zum Marschieren eingeladen hat. 2017 haben 165 Wanderer teilgenommen, 2/3 davon Tiroler und Tirolerinnen. Allerdings merkt man nur am Start etwas von Menschen”massen”, unterwegs hat man seine Ruhe, ist eher für sich unterwegs und kommt dadurch auch gut mit anderen Teilnehmern Gespräch. Man kann sein Tempo gehen, was bei der Länge der Strecke wichtig ist, muss allerdings vor 17 Uhr das Ziel erreichen, wenn man eine Medaille bekommen möchte. Teilnahmegebühr: 10 Euro. Die Bergrettung Längenfeld hat überall Streckenposten für Notfälle, stempelt an den Kontrollpunkten die Karten ab und sorgt mit Essen, Trinken und flotten Sprüchen dafür, dass alle Teilnehmer auch das Ziel erreichen. Nur der Vollständigkeit halber: der Sieger brauchte 2:18 h für die Strecke. Auch 2018 findet der 4-Seen-Marsch wieder in Längenfeld im Ötztal statt.
Ein Tipp zur Vorbereitung auf den 4-Seen-Marsch
Will man vor dem 4-Seen-Marsch eine kleine Wanderung machen, um etwas zu sehen ohne sich vor den 1.600 Hm zu verausgaben: auf zum höchsten Wasserfall Tirols! Der Stuibenfall liegt am Ortsrand vom Umhausen, ist über einen Klettersteig zu erreichen oder über einen zunächst breiten, bequemen Wanderweg. Der geht dann am Wasserfall in nicht enden wollende Treppen über, mit Aussichtsplattformen, die einen ordentlich nass machen. Die herunterrauschenden Wassermassen sind gewaltig. Schwer vorzustellen, dass der 159m hohe Wasserfall im Winter austrocknet. In einer großen Runde geht es durch den Wald dann zurück nach Umhausen (ca 10 km, 580 Hm).
Noch ein Tipp zur Vorbereitung
Der Gasthof Krone in Umhausen ist ideal für die Zeit zwischen Wasserfall-Tour und 4-Seen-Marsch. Traditionsreich, in einem historischen Gebäude, mit köstlichem Essen und sehr freundlichem Service. Zu empfehlen: ein Blätterteig Gericht namens Etztålar Håsnar mit Kraut, Schlutzkrapfen und Eis-Palatschinken…
Und ein Tipp für nach dem 4-Seen-Marsch
Der Aquadome in Längenfeld ist eine große Thermen-, Bade-, Saunaanlage, beliebt bei vielen Besuchern des Ötztals. Hier scheinen sich andere Leute zu tummeln als auf den Wegen, Pfaden und Steigen 2000 m höher, dies ist das Gegenteil zu einsamen, klaren Bergseen. Die Entspannungsbecken, Liegestühle und Saunen sind perfekt zur Erholung nach langen Touren, und während man im 30 Grad heißen Wasser vor sich hin dampft, blickt man auf Fingerspitzen, Hörndl, Gamskogel und Hahlkogel, und fängt schon mal an von den nächsten Bergtouren im Ötztal zu träumen.
Datum der Tour: 13. August 2017
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Mehr Touren im Ötztal bei Gipfelglück
Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
Mit einer Vorliebe für Höhenmeter, Kuchen, Kaffee, Bücher, Yoga und Weit-Weg-Unterwegs-Sein.
4 Kommentare
Tolle Bilder. Den 4-Seen-Marsch kenne ich nicht, aber es hört sich interessant an. Im letzten Sommer bin ich mit meinem Freund drei Tage zwischen dem Ötztal (Vent) und Schnalstal (Vernagt) gewandert. Das Ötztal ist wunderschön, auch das benachbarte Pitztal.
Liebe Grüße
Ina
Ötztal und Pitztal sind beide schön, das stimmt!
Viele Grüße!
Hallo Stephanie
Die 4 Seen Tour würde ich gerne machen
Hat mich schon bevor ich deinen gelesen habe interessiert
Haft du noch einen tip wie man es in eine 3-4 Tage Bergwanderung einplanen kann
Bin den E5 von Oberstdorf bis Meran letztes Jahr Gelaufen
Und da hat mir jemand davon erzählt
Wäre toll wenn du mir ein Tipp geben könntest
Lg Mary
Leider habe ich da keinen konkreten Tipp…ich war noch an der Winnebachseehütte (https://www.gipfel-glueck.de/winnebachseehuette-oetztal/), mit der kannst du sicher eine größere Tour planen. Ich möchte auf jeden Fall dieses Jahr auch wieder in die Gegend, um sie weiter zu erkunden.