Tessin, Lago Maggiore, italienischer Teil der Schweiz – manche Orte und Regionen haben so klangvolle Namen, dass das Fernweh mit voller Wucht einschlägt, wenn man sie nur hört. Was einen dann genau erwartet, an Bergtouren, an MTB Touren, ist oft eher schwammig, schwimmt im Nebel, ist fast nebensächlich. Mir ging es so mit dem Tessin. Und da ich vermutlich nicht die einzige bin, die bei klangvollen Namen die Reiselust packt aber manchmal einen bestimmten Grund oder Anstoß benötigt, endlich mal hinzufahren, gibt es heute einen passenden Artikel dazu: Mach doch mal eine Mountainbike Tour ins Maggiatal im Tessin.
Insgesamt 80 km und 650 Hm von Locarno nach Foroglio (und zurück). Vorher und nachher kannst du einfach mit strahlenden Augen am Lago Maggiore flanieren und dich freuen, dass du es endlich mal ins Tessin geschafft hast.
Hinweis: die Fahrrad Tour im Maggia Tal war Teil einer Pressefahrt, ich war unterwegs auf Einladung von Ticino Turismo.
Start unserer Fahrradtour: Locarno
Einer dieser berühmten, klangvollen Namen. Dolce Vita, hier kann man es aushalten. Am Ufer des Lago Maggiore gelegen – am Schweizer Ufer, und Italien ist nur ein paar Kilometer entfernt. Man spricht italienisch, die Supermarktregale sind voll mit Ovomaltine, Toblerone, Schokolade. Es wachsen Palmen, ein schmaler Streifen am Seeufer ist flach, dann geht es gleich steil nach oben. So steil, dass du als Autofahrer einfach hoffst, dass in engen Kurven keiner von oben kommt, und so steil, dass du als Fußgänger oder Radlfahrer besser die Standseilbahn benutzt.* Und hinter den Häusern Locarnos kommen dann die Berge, über 2.800 m hoch.
Überall gibt es Radwege in Locarno, doch die meisten Menschen schlendern eher gemütlich am See entlang, durch die Fußgängerzone und hoch oben um das Kloster Madonna del Sasso herum – wer auf die Standseilbahn verzichtet, genießt schattige ruhige Serpentinen, 170 Hm zwischen See und Kloster und eine sensationelle Aussicht.
Am Bahnhof starten wir unsere Mountainbike Tour. Mit Guides hat man den Vorteil, nicht so sehr auf Wegführung und Schilder achten zu müssen, doch mir scheint der Weg der Radroute 31 ist auch für Nicht-Ortskundige gut zu finden.
Vom Seeufer geht es auf einem Schotterweg zum Flussufer, der Maggia werden wir bis Cavergno folgen. Auf einer ersten Brücke überqueren wir eine überraschend felsige Schlucht. Hier, in Ponte Brolla, finden tatsächlich die Europameisterschaften im Klippenspringen statt!
Ziel unserer Fahrradtour: das Dörfchen Foroglio am anderen Ende des Maggiatals
4,5 Stunden nach Abfahrt in Locarno (incl einiger Pausen!) biegen wir schließlich von der Straße ab, queren eine letzte kleine Brücke über den Fluss Bavona, stellen die Räder ab, lassen uns im Garten eines Grotto nieder, an einem großen Steintisch, strecken die Füße unter den Tisch und die Gesichter in die Sonne. Ein Stück weiter schießt ein Wasserfall wild den Berghang hinunter, neben dem Grotto ducken sich die seltsam verlassen wirkenden grauen Steinhäuser des Dörfchens eng aneinander.
Nach einem köstlichen, tessin-typischen Mittagessen im Grotto La Froda (www.lafroda.ch) (Polenta und Risotto, Braten, Bohnen und Wein) durchstreifen wir dieses einsame Dörfchen, zu Fuß. Die Gassen sind kaum 2 m breit, Strom gibt es im Dorf keinen, bewohnt ist es nur noch im Sommer. Viele aus dem Tal waren arm, wanderten nach Amerika aus, kamen reich zurück und bauten prachtvolle Villen weiter vorne im Tal, wo es breiter ist, näher am See und der Stadt. Das mag weit über 100 Jahre her sein – ein wenig gespenstisch ist die Ruhe über Foroglio noch immer, trotz allem Fahrradklingeln und Gläserklingen.
Unterwegs – mit dem Fahrrad zwischen Locarno und Foroglio
Zwischen Locarno und Foroglio sieht man vor allem Wald und Felsen und die Flüsse Maggia und Bavona. Es sind wenig Menschen unterwegs, ganz im Gegensatz zum Trubel der Flaneure in Locarno oder Ascona. Ohne allzuviel Steigungen fahren wir flott ins Tal hinein, teils auf Asphalt, teils auf Schotter, teils auf der Straße, oft auch abseits davon, auf einer ehemaligen Eisenbahn Trasse, vorbei an Weinbergen, Granit-, Speckstein- und Marmorsteinbrüchen, immer wieder durch kleine verschlafene Dörfer, ein stetiges gemütliches auf und ab.
Mal stoppen wir für ein Glas Weißer Merlot, mal für ein Fußbad am sonnigen Ufer der Maggia. Aber wie das bei Gruppentouren nun mal ist – man kann nicht immer dann anhalten, wenn man gerne möchte. Vor allem nicht zehn mal Anhalten zum Kaffeetrinken. Anhalten zum Fotografieren. Zum aufs Wasser der Maggia schauen.
Wie es glücklicherweise meistens bei Gruppentouren auch ist – die Organisatoren und Guides kennen sich aus und wählen für die eine Kaffeepause einen ganz besonderen Ort. In unserem Fall: den Garten des kleinen Hotels Casa Martinelli im Ort Maggia. Wir setzen uns in den Garten vor dem 330 Jahre alten ehemaligen Zollhaus, trinken Cappucino und essen Panettone (ja, im September, im Tessin gibt es Panettone tatsächlich nicht nur an Weihnachten sondern das ganze Jahr über). Unter Weinreben und gestreiften Sonnenschirmen erzählt die Besitzerin, wie sehr sie sich über die Radlfahrer freut, wie positiv sich das Tal auch verändert hat, seit es den offiziellen Radweg gibt.
Der ausgeschilderte Radweg endet in Cavergno, nach 257 Hm. Die Flüsse Maggia und Bavona fließen hier zusammen. Wir stoppen an einer steilen, wunderschönen Steinbrücke, machen kurz Pause, bevor es bergauf am Bavona-Ufer entlang geht und anstrengend wird. Endlos scheint die Asphaltstraße nach Foroglio hinauf, von den E-Bike Fahrern unserer Gruppe ist nichts mehr zu sehen, wir Schlusslichter schalten in immer niedrige Gänge herunter, beißen die Zähne zusammen, wischen den Schweiß ab, der unterm Helm herausfließt. Im Fluss erfrischen, das wäre jetzt schön…
Doch irgendwann ist es geschafft, nach rund 40 km und 600 Hm wird das T-Shirt gewechselt, das Siegerlächeln aufgesetzt, die Beine ausgeschüttelt, die anstrengenden Höhenmeter nach Foroglio sind vergessen, denn sie lohnen sich, wie oben schon beschrieben, und… es gibt ja eine „zweite Halbzeit“!
Der Rückweg von Foroglio nach Locarno
Man könnte von Foroglio aus einen Bus zurück nach Locarno nehmen. Aber warum sollte man? Denn wer bergauf fährt, darf bergab fahren! Erst einmal der Genuss der 400 Hm bis Cavergno. Ach, so steil war das am Hinweg? Und dann flussabwärts, mit der Maggia in Richtung Lago. Je weiter wir aus dem Tal mit den engen Seitenwänden herauskommen, desto wärmer und sonniger wird es.
Von Nordwesten rollen wir in die Stadt hinein, geben am Bahnhof die Fahrräder zurück und steigen zufrieden in die Funicolare, die Standseilbahn. Sie gehört zum Stadtbild von Locarno dazu, muss selbstverständlich einmal gefahren werden, wenn man seriös berichten möchte aus Locarno. Von der Bergstation sind es noch wenige Minuten zu unserem Hotel, dem Barca Blu. Ich mache mir einen Kaffee, setze mich auf den Balkon, blicke auf den See und freue mich, dass ich endlich mal da bin und einen traumhaften Teil Schweiz mit dem MTB erkundet habe.
Fakten für den Radl-Urlaub im Tessin
Übernachtung: Hotel La Barca Blu, ein 3-Sterne-Hotel im maritimen Stil in Orselina, fast 200 Hm über dem See gelegen. Gutes kleines Frühstücksbuffet mit Sitzgelegenheit auf der Terrasse, Zimmer mit Küchenzeile und Balkon mit Seeblick, MTB Verleih. Ab 100 CHF pro Nacht, pro Zimmer, mit Frühstück. www.barcablu.ch
Geführte Biketouren, MTB und E-Bike: www.bikesteiger.ch
Alles zum Urlaub im Tessin: www.ticino.ch
Datum der Tour: 22. September 2017
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*Dies ist wohl das Gipfelglück-Jahr der Standseilbahnen. Nach Graz und den Kapruner Stauseen beim Wiesbachhorn. In Malaysia bin ich dann mit noch einer gefahren, zum Penang Hill hinauf…da kommt dann irgendwann noch ein Artikel.
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Herausgeberin des Gipfelglück Blogs – seit 2011 eine Sammlung von persönlichen Erfahrungen beim Wandern, Bergsteigen, Radlfahren und Reisen, im Chiemgau, in den Alpen, weltweit.
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2 Kommentare
Hallo, ein interessanter Bericht. Mit dem MTB scheint es ja ziemlich anstrengend gewesen zu sein. Mich hätte ein Foto mit dem Rad auf einer Steigungsstrecke interessiert. ich mache die Tour nächste Woche…. Viele Grüsse Der Gute Reisende
Tja an den steilen Stellen war ich mit radeln beschäftigt und nicht mit fotografieren ;-) Es hängt halt alles davon ab, wie geübt man ist. Wenn du regelmäßig z.B. die Glocknerstraße fährst, ist das Maggiatal natürlich kein Problem. Bei „Flachlandtirolern“ wieder anders, und ich bin halt so mittendrin. Viel Spaß im Maggiatal, so eine tolle Gegend!!